Verborgen
rauchend an der Tür zum Hof lehnte. Nur Kostandin arbeitete weiter; mit gesenktem Kopf beinte er ein Kaninchen aus. Er war fast fertig, nur noch kleine Klumpen lösten sich von den Knochen.
»Ja, dich mein ich. Wie heißt du noch mal?«
»Modest.« Modest war der Jüngste. Neunzehn, hatte er zu Ben gesagt, als sie sich kennenlernten, aber er wirkte viel jünger.
»Wetten, du bist verheiratet. Du siehst so aus. Mit einer Albanerin?«
»Ja.« Modest drehte sich wieder dem Spülbecken zu und schwenkte Geschirr in dem grauen Wasser. Ben sah von seinem Platz aus, dass er lächelte.
Es wurde still in der Küche, und es blieb still. Draußen dämmerte es bereits. Sobald Nikos aufhörte zu reden, merkte man, was für ein schöner, friedlicher Abend es war. Eine Amsel fing an zu flöten. Wenn er nicht zu genau hinhörte – wenn Ben die Augen halb schloss –, konnte er beinahe verstehen, was sie sang, erwartungsvolle Silben, die sich zu Worten fügten.
Spät dran spät dran spät dran
Mach schnell! Mach schnell! Mach schnell!
»Sie heißt Flutura«, sagte Modest in das Gezwitscher hinein. Ben wurde es mulmig.
»Wie?«
»Flutura.«
Nikos lachte. »O Gott, was ist denn das für ein Name?«
»Er bedeutet ›Schmetterling‹«, sagte Kostandin, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen, und Modests Lächeln breitete sich über sein ganzes Gesicht aus. Florent lachte.
»Weil sie tanzt wie Schmetterling«, sagte er, und sein Bruder fing an zu kichern. Florent war größer und älter als Modest. Seine Gestalt hielt das Licht der Straßenlaterne ab.
»Na, das freut mich für dich. Dann bist du ja ein glücklicher Mann.«
»Glücklich.« Modest nickte und zuckte die Achseln. »Ich vermisse meine Frau.«
»Aber du hast Glück, dass du eine Albanerin gefunden hast. Und sie hat auch Glück, ja?«
»Ja?«
»Weißt du, warum?«
»Nein?«
Selbst noch im letzten Tageslicht sah Ben, wie die Röte über Modests Gesicht kroch. Als wäre der Schlag schon erfolgt. Kostandins Gesicht im diffusen Schatten des Dunstabzugs ließ nichts erkennen.
»Weil keine Frau außer einer Albanerin dich zwischen ihren Beinen nuckeln lassen würde. Und kein Mann außer einem Albaner ihr den Gefallen tun würde. Oder was meint ihr?«
Niemand antwortete. Gleich darauf wechselte Nikos das Thema und redete über Basketball, über die Lotterie, über Belanglosigkeiten. Florent regte sich in der Tür. Kostandin und Modest schauten zu ihm hinüber. Erst als er die Zigarette in den Hof warf, die Stufen hinunterging und sie mit dem Rücken zu den Männern in der Küche austrat, wandten die anderen Albaner den Blick ab.
»Ärger«, sagte Kostandin. Sie waren allein, die Arbeit des Abends war getan, der Grill zum tausendsten Mal gesäubert und bereit für den nächsten Tag. Sie saßen im Park und tranken kaltes Bier aus dem Kühlregal. Sie hatten sich das zur Gewohnheit gemacht – der leere Park ein Mittel gegen die Schlaflosigkeit, der kleine Bierdiebstahl ein Ausgleich an Freiheit. Die Brüder schliefen immer schon im Stehen ein, bis die Küche geputzt war, Ben aber konnte nicht so leicht einschlafen, auch nicht, wenn er hundemüde war. Das Adrenalin in ihm ebbte nur langsam ab. Kostandin ging es genauso. Oft waren sie zu erschöpft, um noch zu reden, und dann saßen sie nebeneinander auf der Bank neben dem Uhrenturm und tranken nur. Manchmal brachte Ben dem älteren Mann Englisch bei, dann wieder verbesserte Kostandin Bens Griechisch.
»Was hast du gesagt?«
»Es wird Ärger geben, hab ich gesagt.«
»Wegen Nikos?«
»Wegen Florent! Nicht dass es irgendjemand hier leicht hätte«, sagte Kostandin. »Aber er hat’s schwer.«
»Weil er hier ist?«
»Weil er hier ist. Und sich dummes Zeug anhören muss.«
Er saß mit vornüberhängendem Kopf da und ließ sein Mythos-Bier zwischen den Händen baumeln. Seine Stimme klang so müde, dass Ben überzeugt war, sie würden beide einschlafen, der eine vom Reden, der andere vom Zuhören.
»Ein mutiger Mann würde die andere Wange hinhalten«, sagte Kostandin.
»Ist er das nicht?« Er versuchte sich Florent vorzustellen, aber er sah nur dessen Silhouette in der Küchentür vor sich. »Ich hab schon den Eindruck.«
»Nein, er ist nicht mutig, dafür ist er zu jung. Er ist genauso schlimm wie der verrückte junge Grieche.«
»Wie meinst du das?«
»Zu Hause ist er in Schwierigkeiten geraten. Das hat mir Modest erzählt. Irgendwas in ihrem Dorf. Frag mich nicht, was, ich weiß es nicht. Es gibt Dinge,
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