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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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die sind unverzeihlich, egal was die Pfarrer sagen. Jedenfalls ist es so schlimm, dass er das Dorf verlassen muss. Er ist das Familienoberhaupt, deshalb kommt die Familie mit. Die Alten sind tot, nur er, zwei jüngere Schwestern und Modest und Flutura sind noch übrig, da ist es nicht so schwer wegzugehen. Florent findet eine neue Bleibe weit weg von daheim, in der Nähe der griechischen Grenze. Eine neue Stadt wird dort gebaut, und es gibt jede Menge Arbeit. Dann ist die Stadt fertig, und plötzlich gibt’s keine Arbeit mehr. Da sind die zwei hierher gekommen.«
    Ben legte den Kopf zurück, nahm einen Schluck aus der Flasche und versuchte zuzuhören. Das Bier war süß und kühl wie Regen, und seine Gedanken bewegten sich betäubend langsam.
    »Und was finden sie hier vor? Eine Scheißarbeit, eine Scheißbezahlung und einen herzlosen Kerl, der Blut sehen will.«
    »Das ist doch nur Gerede. Der macht sich einen Spaß, der tut nichts.«
    »Von wegen Gerede! Wenn du das glaubst, dann red nicht von Gerede. Du hast doch keine Ahnung, wovon du sprichst.«
    »Ich weiß genau, wovon ich spreche. Ich muss mir ja genug von Nikos anhören.«
    Kostandin lachte und seufzte im Dunkeln neben ihm. »Nein, du weißt es nicht. Ich meine nicht Nikos. Die Jungs sind neu in Athen. Wo die herkommen, da würde kein Mensch einem Mann so etwas über seine Frau ins Gesicht sagen. Die sind in einem Bergdorf aufgewachsen. Das sind Gegen. Die Gegen sind ein sehr stolzes Volk. Dort oben passen sie auf, was sie über ihre Nachbarn sagen. Mit Fremden sprechen sie überhaupt nicht. Sie wissen, dass Reden gefährlich ist. Florent ist ein altmodischer junger Mann. Er liebt seine Familie. Und er sorgt für sie, wenn auch vielleicht nicht sehr gut. Vielleicht will er’s jetzt besser machen. Er ist der älteste Sohn. Hast du jüngere Geschwister?«
    »Ich bin der Jüngste.«
    »Wie schön, den Jüngsten lieben alle. In Albanien ist es eine große Sache, der Älteste zu sein. Wenn der Vater stirbt, muss er für die Familie sorgen.« Kostandin klopfte sich an die Brust. »Ich war auch der Älteste, aber in der Stadt nimmt man das nicht so ernst. Für Florent ist es ernst.«
    »Und was passiert jetzt?«
    »Hab ich doch gesagt. Es gibt Ärger.«
    »Weiß Adamidis das?«
    »Nein.«
    »Du könntest es ihm sagen.«
    »Oder du.«
    Er sah Kostandin von der Seite an. Im Dunkeln wirkte das Profil des Mannes nicht mehr ganz menschlich. Es wurde zu dem eines Maultiers, so lang war es, so gewohnheitsmäßig traurig waren Wangenknochen und Augenhöhlen.
    »Nein, nein, lass es besser bleiben. Es kommt, wie’s kommen muss. Und dann schnappen sie uns, und wir müssen alle zurück nach Hause.«
    »Ach was, so schlimm wird’s schon nicht werden. Noch ist nichts passiert«, sagte er, aber Kostandin schüttelte den Kopf, und eine Weile saßen sie schweigend da.
    Die Nächte wurden wärmer. Durch die Wolken und den Dunst konnte er den Mond und einzelne Sterne erkennen. Ein Flugzeug kroch dazwischen durch. Er versuchte sich in diese Ferne zurückzuversetzen, aber sie erschien ihm noch ferner als England. Kostandin räusperte sich und spuckte aus.
    »Wie spät ist es da oben?«
    Sein Blick wanderte vom Himmel zu dem Uhrenturm. »Drei vorbei.«
    »Spät.«
    »Willst du nach Hause?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Vielleicht kriegen wir irgendwo noch was zu trinken.«
    »Ja, vielleicht. Wir haben nur kein Geld.«
    »Stimmt.«
    Erneutes Schweigen.
    »Vielleicht fahre ich auf jeden Fall nach Hause. Komm doch mit. Morgen geht ein Bus nach Vlora. Das Bier ist billiger dort. Löcher kannst du auch in Apollonia graben. Einen Schatz finden. Was hält dich hier noch?«
    Nichts , dachte er wie betäubt und sagte schließlich: »Nichts.«
    »Nichts. Vielleicht lernt der Grieche noch, wann er den Mund halten muss«, sagte Kostandin und stand auf.
    Er dachte daran, wie Emine für ihn gekocht hatte, so wie er jetzt für fremde Menschen kochte. Sie hatte es nicht oft getan. Sie war ein großzügiger Mensch, aber auf dem Gebiet hatte sie ihm immer einen Teil von sich vorenthalten, ein Talent. Es war etwas, dem sie misstraute, schon bevor sie sich kennengelernt hatten: Sie war zu dem Schluss gekommen, dass es demütigend für sie wäre, für einen Mann zu kochen. Ihre Mutter habe jahrelang für ihren Vater gekocht, hatte sie ihm einmal erzählt, und trotzdem hätten sie sich gehasst, also was soll’s?
    Besser, man lernt etwas Sinnvolles , hatte sie gesagt. Wie man sein täglich Brot verdient,

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