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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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gestern, aber offenbar hat er den anderen davon erzählt. Ein großes Bohei drum gemacht. Und dann hat Jason es dir erzählt. Aber wieso juckt sie das? Wieso spielt es für sie eine Rolle? Es ist vielleicht nicht so schlau, das zu sagen, aber manchmal sollte man die Vergangenheit doch einfach ruhen lassen, oder was meinst du?«
    Der Rest Moussaka war kalt geworden. Sie räumten ab und setzten sich dann zu Kaffee und griechischem Weinbrand in neckischen Schnapsgläschen auf den winzigen Balkon, der von Missys schuhschachtelgroßem Schlafzimmer abging.
    Am Himmel kein Mond, nur Wolken; seine Dunkelheit verschmolz fast mit der der Berge.
    »Weißt du, die Leute hier sind so was von abergläubisch. Als ich hier eingezogen bin, kam die Vermieterin an und hat mir so ein Salzdings geschenkt. Ein kleines Päckchen. Ich dachte, es wäre Gift gegen Kakerlaken, aber es war bloß Salz . Das sollte ich in alle Ecken streuen. Um den bösen Blick abzuwehren.«
    »Und, hast du?«
    »Nee!«
    Sie lachte, leise und warm, im Dunkeln zu seiner Rechten.
    »Das Problem ist, man wird erst zum Zyniker, wenn der böse Voodoozauber wirkt. Dann denkt man, hättest du doch lieber dran geglaubt und nicht am falschen Ort gespart.«
    »Und was war der böse Voodoozauber?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    Er sah zu ihr hin. Seine Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit. Sie lehnte am Geländer, das Kinn auf die Arme gebettet; hinter ihr, ein gutes Stück entfernt, schaltete eine Ampel gerade auf Grün. Sie wandte den Kopf zu ihm. Ihr bloßer Hals war breit und glatt, muskulös und schön. Er spürte ihren Blick auf sich ruhen.
    »Weißt du’s?«
    »Hast du mich deswegen eingeladen?«, fragte er; sie lachte wieder, der Ton wurde zu einem Schluchzer.
    »Nein. Ich hab dich eingeladen, weil ich mit dir schlafen wollte. Immerhin, bis zum Schlafzimmer hab ich’s geschafft. Keine Sorge, Ben, ich weiß, dass du vergeben bist. Ich bin nicht vollkommen blind.«
    »Es tut mir leid.«
    »Sag das nie wieder. Was ist jetzt, weißt du’s?«
    Er schüttelte den Kopf, sah weiter zu ihr hin. Sah ihren Seufzer mehr, als er ihn hörte. Sie sprach im Flüsterton.
    »Irgendwas geht da vor.«
    »Was denn?«
    »Ich weiß es nicht. Irgendwas Böses. Böser Voodoozauber. Es ist meine Ausgrabung. Meine Ausgrabung . Ich will nicht von Tuten und Blasen keine Ahnung haben. Ich will nicht außen vor bleiben. Verstehst du?«
    »Ja.«
    »Würdest du’s mir sagen, wenn du es wüsstest? Du würdest es mir sagen, nicht wahr?«
    Ihr Blick war melancholisch beduselt. Ihre Augen glänzten im Licht der grünen Ampel. Er beugte sich zu ihr hin und küsste ihr Gesicht. Ihre Stirn, ihre nassen Wangen.
    »Ja, natürlich. Natürlich würde ich das.«
     
Das Hotel war nicht weit weg, ein halbes Dutzend Querstraßen Richtung Nordwesten. Er hielt sich weiter geradeaus nach Norden, auf den Stadtrand zu.
    Vor dem HellaSpar stand ein Lastwagen, der offenbar eine Panne hatte. Die Warnblinkanlage war eingeschaltet, drei Männer hockten um den Auspuff herum und berieten sich in ernstem Ton wie Ärzte an einem Krankenbett. Er machte einen Bogen um sie und lief weiter.
    Die Lüge klebte ihm noch an den Lippen. Fast konnte er sie schmecken, sie unter dem Essen, das Missy für ihn gekocht, und dem Wein, den sie ihm eingeschenkt hatte, klar herausschmecken. Stark und ätzend wie Salz.
    Hinter den letzten Straßenlaternen lagen die maroden Zigeunerbehausungen in der Düsternis, nur hier und da leuchteten Ölfässer auf, und die Lichter der Schnellstraße, weit weg und hoch oben auf ihren Masten wie UFOs. Im Vorbeigehen hörte er hinter einer Tür eine Frauenstimme singen, doch diesmal rief ihn niemand von drinnen an.
    Er hörte den Fluss, bevor er ihn erreichte. Auf der Brücke blieb er stehen. Die nächste Straßenlaterne war aus, die Kreuzung lag im Dunkeln.
    Er beugte sich vor und schaute Richtung Osten. Zunächst sah er nicht viel mehr als die Straße nach Afision; das Dorf war ein trüber Nebelfleck. Dann konnte er die Gebirgsausläufer erkennen und schließlich, noch darüber, eine Verwerfungslinie: Himmel und Berge, schwarz auf schwarz. Und irgendwo in all dem war die Höhle, die ihm weiter verwehrt blieb.
    Er legte den Kopf auf die Arme, ahmte Missys Haltung nach. Spürte seine eigene, tröstliche Wärme. Der Fluss unter ihm führte immer noch viel Wasser, dank Schneeschmelze und Regen. In den Strudeln leuchtete die Gischt hell wie phosphoreszierend.
    Seine Hände spielten ihm wieder

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