Verborgen
im Vergleich zu seinem Ruhm bezweifeln.
VI
Lakedaimonien
Beim Aufwachen hörte er Madonna. Irgendwo draußen spielte ein Radio, und während er liegen blieb und lauschte, wurde ein Auto angelassen, fuhr los und nahm »Material Girl« mit.
Kirchenglocken in ihrem Kielwasser. Ein Hahn krähte. Glockenspiel mit krähendem Hahn.
Er schloss vor Glück die Augen. Er hatte gut geschlafen, hatte wunderbar geruht, bedauerte aber nicht, dass er wach geworden war. Hatte er geträumt? Er wusste sehr gut, wo er war, so als hätte er die ganze Nacht von all dem geträumt. Es war kein Bruch zwischen Schlafen und Wachen. Er war in Sparta; er hatte es nach Sparta geschafft, der Stadt ohne Mauern. Deswegen war er in Hochstimmung.
Er setzte sich auf. Das Bett war hart, und auch das Zimmer war karg, obwohl der Flur und die Treppe, wie er sich erinnerte, keineswegs spartanisch gewesen waren, sondern mit dicken Teppichen und luxuriösem Samt geprunkt hatten. Emines Brief lag auf dem Boden. Er hatte ihn vor dem Einschlafen noch einmal gelesen. Er stand auf und steckte ihn ein, ihre Worte gingen ihm nicht aus dem Sinn.
Ruf mich an.
Er ging ans Fenster und zog dabei das T-Shirt aus, in dem er geschlafen hatte. Die Aussicht war nichtssagend – der Hotelpool, Balkone, ein schmales Stück Straße –, doch dahinter konnte er die Berge ausmachen. Blauschattierungen noch und noch. Die Luft war kühler als in Athen. Alles war in Sonnenlicht getaucht.
Er ging ins Bad. Die Armaturen waren schwarz und weiß, Marmor und Stahl, die Handtücher in dazu passender Livree. Die kleinen Seifenstücke und Fläschchen waren penibel aufgereiht, schnurgerade wie Munition. Es war, als träte man in eine alte Fotografie. Nach Metamorphosis war der strenge Luxus überwältigend. Er zog sich aus, drehte die Dusche auf und hielt den Kopf in die ohrenbetäubende Hitze.
Dr. Stanton hatte ihm das Zimmer besorgt. Missy , hatte sie gesagt. Bitte nennen Sie mich Missy. Das sage ich allen, aber niemand macht es. Keiner. Es hatte herzlich geklungen, werbend und fern. Er hatte im Grillrestaurant gestanden, Frau Adamidis hatte um ihn herum Staub gesaugt, und es war schwierig gewesen, die Stimme aus dem Sauggeräusch zu isolieren. Es gebe ein Problem mit der gemeinsamen Unterkunft, hatte er verstanden, deshalb würde er fürs Erste im Hotel wohnen. Für die Kosten würde natürlich die Cyriac Foundation aufkommen. Wie bitte? Wo? Das Menelaion, an der Palaeologou. Und wegen der Grabung würde er an der Rezeption Instruktionen vorfinden. Jemand würde sie für ihn hinterlassen. Oder vielleicht würde am Morgen auch jemand kommen. Ob ihm das recht sei. Ob er es für vernünftig halte. Sie hofften alle, es mache ihm nichts aus …
Er stieg aus der Dusche, wischte den Spiegel ab und rasierte sich – sah zu, wie sein Gesicht zum Vorschein kam. Seine Augen starrten ihn finster an. Selbst sein Lächeln wirkte grimmig. Er hatte sich vierzehn Tage lang nicht rasiert. Er schnitt sich am Kinn, tupfte das Blut ab und machte weiter.
An der Rezeption war niemand. Eine Katze inspizierte im besonnten Eingang ihre Krallen. Ein Vogelkäfig mit Ständer stand deplatziert auf der Treppe wie ein zum Frühjahrsputz hinausgestelltes Sofa: Der Kakadu darin schaute pikiert wie ein Ratsherr in die Lobby. Ein spindeldürrer Junge mit angeklatschten Haaren polierte zwischen den Tieren Messingteile. Er stand auf, als Ben ihm Guten Morgen zurief, pfriemelte einen Ohrhörer aus dem Ohr und steckte ihn ein. Death Metal tönte leise aus seiner Hosentasche.
»Ja, bitte?«
»Guten Morgen«, sagte Ben erneut, doch der Junge lächelte nur und runzelte die Stirn, als könnte die Freundlichkeit eines Ausländers ein Trick sein und er müsste auf alles gefasst sein.
»Ist eine Nachricht für mich da? Zimmer 39?«
Es waren keine Nachrichten vorhanden. Der Junge nahm Bens Schlüssel und schaute in die Schubladen und Kästchen. In der Hotelbar begann jemand, nicht besonders gut Klavier zu spielen. Eine Schar Frauen kam herein und ließ sich nieder, allesamt im Sonntagsstaat, ein Kellner brachte ihnen Kuchen auf einem Wagen – Du meine Güte! Nein, das müssen wir uns für die Glykeria aufheben! –, und ein Priester im orthodoxen Habit bewachte sie wie ein Hirte.
»Es ist nichts da«, sagte der Junge abschließend und verschränkte selbstgefällig-nervös die Arme über seinen Rippen.
Ben frühstückte allein, die Frauen und der Priester ignorierten ihn, der Pianist blinzelte ihm zu, der
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