Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
Vom Netzwerk:
feststellen, die Sedimente, die das Gefäß im Lauf der Jahrhunderte unter sich begruben, wie die Jahresringe von Bäumen datieren; die Bäume, die auf diesen Ablagerungen wachsen – Koniferen und Angiospermen – , öffnen und in ihnen wie in Geheimbotschaften lesen. Vor einem Jahrhundert war eine Topfscherbe nur ein Anreiz, ein X, das die Stelle markierte, an der möglicherweise wahre Schätze ruhten. Heute birgt eine einzelne Scherbe so viele Geheimnisse, wie Schliemann sie in seinem ganzen trojanischen Gold fand.
    Im Jahr 1906 ließen die Briten vom Bronzehaus ab. Sie zogen von der Akropolis hinunter an die Ufer des Eurotas und begannen dort mit neuen Ausgrabungen. Sie versuchten sich auch am Heiligtum der Artemis Orthia, in dem die Römer einst blutigen Schauspielen beigewohnt hatten. Dass sie neue Hoffnung geschöpft hatten, kann man an den fünf Jahren ablesen, die sie dort verbrachten, ihre zunehmende Frustration an ihrem rücksichtslosen Vorgehen.
    Diese beiden letzten [Altäre] mussten zerstört werden, damit wir auf die unteren Ebenen gelangen konnten, und erst als der archaische Altar gefunden wurde, erkannten wir die Überreste des römischen Altars als das, was sie waren …
    Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es dann öfter die Griechen selbst, die die Ruinen Lakoniens erforschten. Die meisten Ausländer waren gekommen und wieder abgezogen, auf der Suche nach reicheren Jagdgründen. Die Franzosen kamen, um im Schutt zu wühlen. Die Holländer siebten die Flüsse und durchsuchten alte Abfallgruben, und die Briten – immer diese Briten – taten das alles und kamen wieder und gruben an der Basilika von Nikon Metanoeite. Als orthodoxer Missionar war Nikon gekommen, um die Lakedaimonier zu bekehren, von denen viele ein Jahrtausend nach Christi Tod noch immer die alten Götter verehrten. Als Beweis für die Macht seines Glaubens erbot sich Nikon, eine Pestepidemie zu beenden, wenn die Lakedaimonier die Juden, die seit vielen Jahrhunderten unter ihnen lebten, vertrieben. Was sie auch taten. Die Menschen haben auf mich gehört , schrieb Nikon, und mich wie Weihrauch geliebt …
    Hundertachtzig Jahre Archäologie, und was hat man von Sparta gefunden?
    Nichts, was die Existenz einer großen Stadt beweisen würde. Nichts als hölzerne Masken, Knochenflöten, Bügelkannen. Bleibarren. Den Kopf eines Gottes. Einzig die bei Amyklai gefundenen Goldbecher besitzen eine gewisse Erhabenheit. Das Gold dieser Gefäße ist so rein und so dünn, dass man meint, das Licht könnte durchscheinen. Aber die Becher wurden in einem runden Grabbau gefunden, einer Begräbnisstätte der Mykener. Sie sind so alt wie die Mythen von Helena und Menelaos. Sie entstanden ein halbes Jahrtausend vor dem Aufstieg Spartas.
    Nichts deutet auf einstige Pracht und Herrlichkeit hin. Es gibt keinen Beweis für eine Stadt, die das Augenmerk der Welt auf sich zog, den Sitz einer Macht, an die sich König Krösus und die Hohepriester von Jerusalem aus dem fernen Lydien und Judäa um Hilfe wandten. Es ist, als hätten sich die Spartaner davongeschlichen, als wären sie gestorben und hätten vorher alle Spuren ihres Daseins getilgt. Als hätte es sie nie gegeben.
    Es ist ein Rätsel, das die Archäologie nicht lösen konnte. Niemand hat irgendetwas Besseres als die Erfindungen der Mythen und Geschichten entdeckt. Sparta, das sind nur Geheimnisse und keine Antworten, nur Aktionen ohne Substanz. Nichts als Gerüchte, Geraune und Geflüster.
     
    O aller Welt verhaßtestes Geschlecht
Von Sparta, Ratsherrn jeder Hinterlist,
Der Lüge Fürsten, Spinner bösen Trugs,
Gewunden, nie gesund, nur krummen Pfads!
Was ist bei euch zu Hause? Mord um Mord,
Unsaubre Habgier, Reden mit dem Mund
Und völlig andres Planen eures Sinns!  
    Mädchen mit süßem Gesang und mit reizender Stimme, die Beine tragen mich Alten nicht länger; ach wenn ich ein Eisvogel wäre, wie er mit den Eisvogelmädchen gemeinsam dahinschwebt, von Furcht frei,
über die Kronen der Wellen, der purpurne heilige Vogel.  
    Da sie nicht in einer Stadt beisammenwohnen und keine kostbaren Tempel und Bauten haben, sondern nach altgriechischem Brauch dorfweise siedeln, so könnte Sparta eher armselig wirken.  
    Der Spartaner – diese Zikade! Stets zum Singen aufgelegt …  
    Langes Haar macht einen gut aussehenden Mann schöner und einen hässlichen Mann furchterregender…  
    Wenn Sparta verödete und nur die Tempel und Grundmauern der Bauten blieben, würde gewiss die Nachwelt seine Macht

Weitere Kostenlose Bücher