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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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streckte ein anderer die Hand nach einer aus, als ob … vielleicht, weil er sie füttern oder sich ihr als Opfer anbieten wollte. Da war Apollo, der einst die große Schlange Python getötet hatte. Und Kastor und Polydeukes, die Dioskuren, in Gestalt zweier Schlangen. Inmitten eines Sammelsuriums von winzigen Bronzefiguren befand sich die Amphisbaena, die zweiköpfige Schlange, geboren aus dem Blut, das aus Medusas abgeschlagenem Kopf quoll; dahinter, als römisches Mosaik, das Gesicht der Medusa selbst.
    Er ging weiter. Eine Reihe von Basreliefs, nur als »Chthonische Gottheiten« ausgewiesen. Dieselbe Szene in ständiger Wiederholung, wie ein Vorfall in einem Albtraum: ein Mann und eine Frau nebeneinander auf löwenfüßigen Thronen sitzend. Das Haar des Mannes war geflochten wie das eines spartanischen Kriegers. Sein Blick erwiderte den des Betrachters und war nicht unfreundlich. Er hielt mit beiden Händen eine Schale mit zwei Henkeln hoch. Auf einem Relief ringelte sich eine Schlange in die Höhe, den Kopf über dem Rand der Schale. Auf einem anderen tollte ein Hund unter den Thronen herum. Auf einem dritten ließen zwei kniende Anbeter die sitzenden Gottheiten riesig erscheinen.
    Er blieb stehen, um seine Jacke anzuziehen. In dem Museum war es genauso kalt wie draußen auf der Straße. Als er den Schriftzug über der Tür gesehen hatte, war er erleichtert gewesen, als hätte er eine vertraute Adresse gefunden, doch das Museum entsprach nicht seinen Erwartungen. Die Beschriftungen waren kryptisch, so als sei der, von dem sie stammten, genauso geheimnistuerisch wie die antiken Spartaner. Außerdem hätte er gar keine Beschriftungen brauchen dürfen. Er hätte Sparta kennen müssen.
    Er kam an eine Wand mit Grabstelen. Einige davon trugen Namen, andere nur Reliefs von Männern, die mit Tieren und Ungeheuern kämpften. Nur diejenigen, die als Helden gestorben waren, wurden durch ihren Namen auf dem Grabstein geehrt.
    Aber dann, nach den Grabstelen … was war das? Ein Becken, eine massive helle Vase mit eingemeißelten Frauen – drei an der Zahl –, jede auf dem Rücken eines Löwen stehend. Wer waren sie? Was bedeuteten sie? Und wieder ein Stück weiter lagen Seite an Seite Tonmasken aus dem Heiligtum der Artemis Orthia. Eine Reihe teuflischer alter Männer mit Mündern wie Schließmuskeln, ein Haufen haarloser Köpfe, die grimassierend zur Decke schauten. Er stand da, betrachtete sie und war froh, dass sie hinter Glas waren. Was hatten diese alten Teufel mit Artemis zu tun, der Göttin der Frauen?
    Über ihm knisterte und knackte eine Neonröhre. Er wandte sich nach dem Atrium um. Ein Unbehagen erfasste ihn, als sei er zu weit hinausgeschwommen. In einer Ecke stand eine römische Büste, ein weiteres Überbleibsel aus der Zeit, nachdem Sparta von jüngeren Reichen abgelöst worden war. Der Kopf wirkte im Profil gelassen, doch als Ben an ihm vorbeiging, änderte sich scheinbar der Ausdruck. Direkt von vorn strahlte das Gesicht pure Bösartigkeit aus.
    Er rief der Wärterin ein Dankeswort zu und wartete ihre Antwort nicht ab. Draußen hatte der Regen nachgelassen. Er eilte zurück durch den Park mit den Statuen und stellte erleichtert fest, dass er auf die Hauptstraße hinausführte, nur einen Block von seinem Hotel entfernt. Die Stadt war kleiner, als er sich vorgestellt hatte – eigentlich nicht mehr als ein ländliches Städtchen – , doch eine Uhr an der Ecke sagte ihm, dass es schon später war, als er gedacht hatte.
    Niemand wartete auf ihn. Der Junge mit den angeklatschten Haaren war verschwunden. Der Vogelkäfig war ins Haus gebracht worden. Zwei Frauen saßen an der Rezeption. Die eine löste ein Kreuzworträtsel, die andere ein Sudoku. Sie sahen sich ähnlich, als seien sie verwandt, beide mandeläugig und hennagefärbt. Sie arbeiteten an ihren Rätseln, als nähmen sie an einem Wettbewerb teil. Erst als er die Klingel betätigte, legte eine ihren Stift weg.
    »Haben Sie sich verlaufen?«
    »Nein, ich wohne hier«, sagte er, und die zweite Frau nickte, als sei das eine unangenehme, aber nicht überraschende Tatsache. Eine der beiden brachte ihm seinen Schlüssel, während die andere ihn von Kopf bis Fuß musterte.
    »In den Regen gekommen, wie man sieht.«
    »Ja, ist aber nicht schlimm. Ist eine Nachricht für mich da?«
    »Keine Nachrichten.«
    »Sicher nicht?«
    »Keine Nachrichten. Es war niemand hier, Ihretwegen. Sie sollten sich einen Regenschirm zulegen«, sagte Kreuzwort, als schlüge sie

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