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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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Chrystos.«
    »Mit Giorgios nicht?«
    »Nicht so sehr«, sagte er, und Jason gab ein Geräusch von sich, tsch , halb belustigt, halb spöttisch. »Was ist?«
    »Nichts.«
    »Hat aber nicht so geklungen«, sagte er, schaute auf und wusste schon im Voraus, wie Jasons Ausdruck sein würde – verstohlen, selbstzufrieden.
    »Du solltest aufpassen, mit wem du dich anfreundest«, sagte Jason.
    »Warum? Was ist mit den beiden?«
    »Kommt drauf an, wen du fragst.«
    »Dich hat er jedenfalls nicht gefragt«, sagte Natsuko, aber ihre Stimme ging unter, weil Jason gleichzeitig mit ihr zu einer pathetischen, rhythmisch vorgetragenen Deklamation ansetzte.
    » Ihr seid alt, Vater Giorgios«, der Knabe sprach,
    »Ihr habt einen schneeweißen Bart.
    Und ihr habt gekämpft, nur wissen wir nicht
    Auf welcher Seite ihr wart.«
    »Was soll das bedeuten?«
    »Nichts«, sagte Eleschen kurz angebunden. »Jason ist bloß so bescheuert wie immer. Beachten Sie ihn nicht weiter, dann räumt er das Feld.«
    Eine Pause. Jason lehnte sich auf der Couch zurück, unglaublich zufrieden mit sich selbst; Eberhard öffnete die Post, einen Stapel Päckchen von der Fünften Ephorie für prähistorische und klassische Altertümer. Die anderen unterhielten sich nebenbei über die verschiedenen Möglichkeiten für das Mittagessen, und das Geplauder ging hin und her, als wäre er gar nicht mehr da. Die Anlage lief immer noch – jetzt war es ein Titel mit einem tieferen Bass und einem ausgeprägteren Beat. Eleschen beugte sich vor und machte die Musik aus.
    »So alt«, sagte er hartnäckig in die Stille hinein, »ist er ja noch gar nicht.«
    »Nein?«
    »Nein, nicht annähernd. Komm, der ist doch höchstens fünfzig. Er war damals noch gar nicht auf der Welt.«
    »Wann?«
    »Im Krieg.«
    »In welchem?«
    »Welchen meinst du denn?«
    »Offenbar nicht denselben wie du. Weißt du, du könntest intelligent wirken, wenn du ein bisschen besser zuhören würdest.«
    »Jason.«
    »Es hat ein paar gegeben, und sie sind nicht alle gut ausgegangen, jedenfalls nicht hier. Hier hören manche davon überhaupt nicht auf.«
    »Jason.«
    »Ja?«
    Eleschen nahm einen Stapel Unterlagen vom Tisch, ging zur Couch hinüber und ließ die Papiere in Jasons Schoß fallen. »Lass ihn in Frieden. Wenn du dich so sehr langweilst, kannst du auch was tun.«
    Vorsichtig, als seien sie ansteckend, schob Jason die Blätter beiseite, stand auf und streckte sich.
    »Ich passe. Anscheinend bin ich meinen Job ja eh los, wo ihr jetzt Ben habt. Ist doch richtig kuschelig mit Ben hier, oder? Traute Heimarbeit. Komm, gehen wir. Eb?« Eberhard nickte erneut, und sein bebrillter Blick wanderte von Ben zu Natsuko und weiter zu Eleschen.
    »Kommt ihr nicht mit zum Mittagessen?«
    »Heute nicht.«
    »Aber heute Abend kommt ihr doch?«
    »Ja, aber nicht zu früh.«
    »Okay.«
    »Ruft vorher an. Wir müssen uns umziehen.«
    »Na klar. Wiedersehen, Ben. Bis morgen.«
    Die Tür fiel hinter ihnen zu. Ben ging wieder an die Arbeit; methodisch legte er Bruchstücke auf die Waage. Bevor er sie katalogisierte, betupfte er die provisorische Markierung jeder Scherbe mit einem in Nagellackentferner getränkten Wattebausch. Heißes Rosa, blaues Glitter.
    Es war so still im Raum, dass er sein Herz schlagen hörte, das noch immer mit Adrenalin übertaktet war. Sinnlos, sich zu ärgern. Er wusste längst, dass Jason ihn nicht leiden konnte. Jedenfalls hatte er die ganze Woche den Verdacht gehabt, seit dem Nachmittag in dem Auto. Das hätte ihn also eigentlich nicht überraschen dürfen.
    Überhaupt hätte er sich nicht über Jason ärgern sollen. Sondern über alle, sogar über Eleschen. Und über Natsuko.
    Die Computer tickten nur noch leise vor sich hin, Eieruhren. Von Eleschen und Natsuko war so gut wie nichts zu hören. Er hatte das Gefühl, dass sie verlegen waren, seinetwegen oder wegen sich selbst. Er hielt den Blick auf die Waage, das Inventar und die Fundliste daneben gerichtet.
     
    KATALOG ABSCHNITT 5: KLEINFUNDE (ARTEFAKTE, FAUNA, PALÄOÖKOLOGIE)
    AREAL G
    Kontext 0212:
    Nr. 019-026: MH Knochenaufsammlung .
    Nr. 029: MH prismatische Klinge, Fragment.
    Kontext 0211:
    Nr. 105: SH2 angebohrter linsenförmiger Siegelstein. Auf einer Seite Intaglio einer Gorgone.
     
Sie arbeiteten den ganzen Nachmittag durch. Es wurde kaum etwas geredet, und die wenigen Gesprächsansätze waren halbherzig und nichtssagend, als wäre der Vormittag ein Fehler gewesen oder hätte überhaupt nicht stattgefunden. Um zwei ging

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