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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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worden sein muss. Quecksilber ist furchtbar. Es ist unzerstörbar, der Körper kann es nur ganz schwer ausscheiden, und es ist toxischer als Arsen. Nicht, dass Laco das gewusst hätte. Das ist es, was mir Kopfzerbrechen macht. Laco kann nichts über Quecksilber gewusst haben. Sie ist mehr als dreitausend Jahre alt. Die Chinesen und die Ägypter haben damals schon Quecksilber verwendet, in Arzneien und bei Begräbnissen, aber die Griechen nicht. Gäbe es oben an der Grabungsstätte Quecksilber, beispielsweise als Zinnober, dann hätte es auf diesem Weg in die Knochen gelangen können, aber bis jetzt hat das noch keiner gefunden. Laco passt also nicht ins Bild. Sie wird uns alle ziemlich dumm aussehen lassen. Und das ärgert mich.«
    »Vielleicht war sie eine wichtige Persönlichkeit. Ich meine, wenn die in Ägypten Quecksilber verwendet haben, ist es doch nicht weit …«
    »Ich verstehe sie nur nicht. Sie ist eine Überraschung. Ich hasse Überraschungen.«
    Sie legte den Armknochen auf den Tisch. Ihr Blick verweilte auf ihm. Sie rieb Finger und Daumen aneinander, zerstreut, als sei sie in Gedanken noch bei dem Gift in dem Knochen.
    »›Verstehen‹ ist ein seltsames Wort, oder?«
    »Wieso?«
    »Ich meine, auf komische Art seltsam. Es ist das, wonach wir suchen und was wir tun. Wir steigen in die Vergangenheit hinunter, um zur Gegenwart hinaufschauen zu können. Wir verstehen sie nur, wenn wir unter ihr stehen.«
    Sie lächelte ihm von der Seite zu. Ihre Zähne waren gleichmäßig, makellos, vollkommen. »Finden Sie nicht?«
    »Da hab ich noch nie drüber nachgedacht«, sagte er. Und, weil es ihm auffiel: »Sie klingen wie Eberhard.«
    Sie verzog das Gesicht. »Als ob ich so intelligent wäre.«
    »Sind Sie doch«, sagte er. Aber sie hatte sich wieder ihrer Arbeit zugewandt, deshalb machte er auch weiter, doch dann schob er seinen Hocker zurück und stand auf.
    »Die Toilette ist da durch, falls Sie dahin wollen. Achtung, da gibt es Kakerlaken. Wir glauben, es liegt an der Bäckerei. Jedenfalls kriegen wir sie nicht los.«
    Er sah keine Kakerlaken, hörte aber ein leises Huschen, als er die Tür aufmachte. Er streifte die Handschuhe ab, erleichterte sich, wusch sich Hände und Gesicht und registrierte erst, als er bereits die Labortür aufmachte, dass er mehr als zwei Stimmen hörte.
    Jason drehte den Kopf und schaute ihn von der Couch her an. Eberhard stand noch auf dem Treppenabsatz. Alle vier redeten gleichzeitig, und alle verstummten, als er hereinkam.
    »Hallo«, sagte er in das Schweigen, und einen Moment lang schien es, als wollte ihm keiner antworten, doch dann nickte Eberhard und fing an, seine Jacke aufzuknöpfen.
    »Na, wie geht’s, Benjamin?«
    Er schloss die Tür hinter sich. Hatte wieder die Sätze im Kopf, die er Eberhard im Geist hatte sagen hören. Schob sie weg.
    Warum bist du mir gefolgt?
    »Gut, danke. Übrigens, nur Ben.«
    »Also gut, Ben. Wie findest du’s …«
    »Okay.«
    »Gut, gut. Freut mich, dass du dich einlebst.«
    Ben tat lächelnd, als nähme er es ihm ab. Eleschen wich seinem Blick aus. Natsuko saß über ihre Unterlagen gebeugt, als wollte sie sich so unscheinbar wie möglich machen: ein Tier, das die Ohren anlegt. Jason lächelte immer noch zu ihm auf, mit einem hungrigen Ausdruck.
    Er drängte sich zwischen ihnen zu seinem Platz durch. Es waren noch zwei Behälter voll Keramik zu sortieren, acht Scherben eines Kraters und ein Dutzend Stücke aus weißem Ton mit unregelmäßiger Strichglättung, die durch ihr Alter und ihre ausländische Herkunft bemerkenswert waren. Jede Tonscherbe trug auf der Innenseite einen Punkt aus Nagellack: blau glitzernd bei dem Krater und korallenrosa auf dem weißen Ton. Er überlegte zerstreut, welcher Lack von wem stammte, legte eine der weißen Tonscherben auf die Waage und sah, wie die digitale Anzeige aufleuchtete.
    »Wie ich höre, hast du schon Freunde gewonnen«, sagte Eberhard irgendwo hinter ihm.
    »So?«
    Niemand schien überrascht, dass es überrascht klang.
    »Dr. Stanton scheint jedenfalls den Eindruck zu haben.«
    »Ja, es ist nett mit ihr. Ihr mögt sie ja anscheinend nicht besonders. «
    »Doch, wir mögen sie durchaus«, sagte Eberhard und kam nach vorn, blieb bei den Computern stehen und sah ihm bei der Arbeit zu. Von der Arbeitsmontur befreit, war er genauso angezogen wie in Oxford; die gebügelte Freizeitkleidung machte ihn um Jahre älter. »Mit den Maxis-Brüdern verstehst du dich ja anscheinend auch gut.«
    »Jedenfalls mit

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