Verborgen

ja?«
    Er lehnte sich gegen die warme silberne Kühlerhaube, während Eberhard mit einer Schachtel Tontauben unter dem Arm davonstakte und ab und zu stehen blieb, um Steine aufzuklauben. Längs des Kamms, in der Nähe zweier windgebeugter Bäume, sah man eine Reihe kleiner Steinhaufen, keiner größer als ein Maulwurfshügel. Hinter ihm fummelte Jason im Auto herum, bis der Kofferraumdeckel aufsprang. Drinnen lagen fünf Holzkoffer.
    »Das erste Mal, sagst du?«
    Er nickte, und Jason trat zu ihm. Die Koffer waren keine Allerweltskisten – viel zu edel, um harmlos zu wirken. Sie waren aus Eichenholz und hatten Messingbeschläge, als seien sie für Beerdigungen im Kleinformat gedacht.
    »Willkommen im Club. Für mich war es auch das erste Mal, als Eb und Max mit mir hier heraufgefahren sind.«
    »Ich dachte, du bist der große Experte?«
    »In Luton gibt’s nicht so viele Waffen, um ehrlich zu sein. Aber ich lerne schnell. Angst?«
    »Noch nicht.«
    »Keine Sorge, du gewöhnst dich schon an die Dinger«, sagte er, öffnete einen der Koffer und hob das erste Gewehr heraus.
    Ben hatte noch nie eine Feuerwaffe in der Hand gehabt. Hatte nie Gelegenheit dazu gehabt, nie den Wunsch danach verspürt.
    Das Gewehr war erstaunlich schön. Er hatte auch früher schon schöne Waffen gesehen. Eine Sammlung japanischer Schwerter mit Bügeln aus oxidiertem Stahl, eingelegt mit Gottesanbeterinnen aus Elektron und Pflaumenblüten in Rosagold. Eine Damaszenerklinge mit einer Scheide aus Chagrinleder. Keltische Knaufarbeiten. Hopliten-Rüstungen.
    Das Gewehr, das Jason in der Hand hielt, war eines dieser Dinge – ebenfalls erlesen. Es besaß magische Anziehungskraft. Seine Schönheit ergab sich aus seiner Funktion. Es war ebenso fein gearbeitet wie das klassische Auto neben ihnen. Von Weitem waren ihm Waffen immer als furchterregend erschienen, hässliche Gerätschaften, brutale Werkzeuge zur Schädigung anderer. Eberhards Gewehr war dies alles auch, aber es hatte trotzdem etwas Verlockendes. Verlockend gerade wegen dieser Eigenschaften.
    Es hatte zwei parallele Läufe, so lang wie ein ausgestreckter Arm, an denen nichts angebracht war, weder ein Zielfernrohr noch ein Gurt. Als Zielvorrichtung genügte ein Metallzahn ganz vorn zwischen den beiden Läufen. Die schwarzen Rohre verdickten sich wie die Enden von Knochen, dort, wo sie am Brustkasten der Waffe angesetzt waren. Der Schaft war aus dunklem, gemasertem Holz geschnitzt, die Maserung voller Wirbel und Wolken. Über dem Abzug, an den Wangen, waren zwei Vögel in Gold eingraviert. Zwei aufflatternde Fasane.
    »Na, mach schon, nimm’s in die Hand! Na also«, sagte Jason und grinste zufrieden, als bewunderte er einen neuen Anzug. »Du bist ein Naturtalent. Zum Schießen geboren.«
    Er hob das Gewehr hoch, balancierte es aus. Visierte. Vielleicht war es eine optische Täuschung, aber die Maulbeerbäume auf dem Kamm schienen näher gerückt zu sein. Eine Brise bewegte ihre kahlen weißen Geweihstangen. Eberhard stellte in ihrem Schatten Tontauben auf. Er trat von dem letzten Steinhaufen zurück und wischte sich die Hände ab.
    Jason drückte Bens Gewehr herunter. »Sachte, Tiger.«
    »Ist es geladen?«
    »Damit musstest du jedenfalls rechnen.«
    »Wie hat Eberhard die ins Land geschafft?«
    »Gar nicht. Er hat sie aus Athen. Du hättest den Verkäufer sehen sollen. Dem lief der Schweiß nur so über sein grinsendes Gesicht. Hat eindeutig auf Provisionsbasis gearbeitet. Eb hat auch einen Jagdschein. Früher ist er immer mit seiner Familie hier gewesen. Aus Deutschland kann man mit dem Auto herfahren. Die machen ihr Geld mit Waffen, weißt du, Eb und seine Leute. El sagt, die schwimmen darin.«
    »Die müssen ja einiges gekostet haben.«
    »Fünf Mille pro Stück.«
    »Na, alles klar?«, rief Eberhard, und als er sie erreicht hatte, fragte er: »Wonach fühlt sich das an, Ben?«
    »Danach, dass ich mir in den Fuß schießen werde.«
    »Da wärst du bestimmt nicht der Erste. Ganz ruhig. Schau. Das ist der Abzug, das ist die Sicherung. Damit wählst du den aktiven Lauf. Mehr ist nicht dabei. Es ist kein kompliziertes Gerät. Sollen wir’s mal probieren?«
    Eberhard öffnete den Laufverschluss von Bens Gewehr und kippte die Läufe herunter. Jason brachte eine Schachtel Munition. Er legte zwei Patronen ein, drückte sie mit dem Daumen ganz hinein, klappte das Gewehr zusammen und legte an.
    Die kleinen Steinhaufen mit der Sonne dahinter. In der Ferne Regensäulen. Er atmete tief ein, hielt