Verborgen
ihre Finger klamm waren. Natsuko fragte ihn nach seinem zweiten und weiteren Vornamen und notierte sie in japanischer Schrift, und Max tat – unter Murren und Seufzen, aber doch mit dem Eingeständnis, dass ihm das Drängen der Mädchen schmeichelte – dasselbe in seiner heimatlichen georgischen Schrift, die wie etwas von Tolkien aussah, lauter Angelhaken und züngelnde Flammen. Noch später – und noch weniger nüchtern – stand er auf, um georgische Gedichte zu rezitieren, in seiner großen Hand ein Sherryglas, das er am Stiel hielt, ein zahnlückiges Lächeln in seinem pockennarbigen Gesicht, die Verse voll schroffer Wünsche. Wenn unser Leben bitter ist, möge unser Tod süß sein.
Es war belangloses Geplauder, aber ihm gefiel es sehr. Die Unbefangenheit ihrer Freundschaft. Die Art, wie das Gespräch einschlafen und dann ganz plötzlich wieder aufflammen konnte.
»Ich fühl mich hier unheimlich wohl«, sagte Eleschen, genau in dem Moment, als er das auch dachte. Sie sprachen über die Ausgrabung, verstummten aber, und die Worte hallten nach, obwohl Eleschen in ein Daunenbett eingemummt war und außerdem ganz nüchtern sprach.
Und Eberhard setzte sich auf seinem Sprossenstuhl auf, wobei sich sein Schatten über die hohen Wände ausbreitete. Seine Stimme war leise, aber so klar wie eh und je.
»Ganz Europa liebt Griechenland. Es ist uns so teuer wie ein Großvater. Es ist so liebreizend wie eine Enkelin.«
Er war so lange geblieben, wie es sich vertreten ließ, und ging erst nach zwei, als Letzter. Natsuko war eingenickt, eine Pyramide aus Bettzeug mit einem glänzenden Haarschopf an der Spitze. Eleschen hatte ihn hinuntergebracht. An der Tür hatte er einen schlaftrunkenen Gutenachtkuss bekommen.
Er war noch nicht besonders schläfrig und ging deshalb zum Stadtplatz zurück in der Hoffnung, eine Kneipe zu finden, in der er noch eine Stunde sitzen konnte. Wegen der anstrengenden Arbeit der letzten Tage war er zu erschöpft, um schlafen zu können, seine Gedanken träge und zugleich voller Energie, und die vergrabenen Tiere beunruhigten ihn. Außerdem wollte er nicht allein sein.
Hinter dem Rathaus, zwischen dem Büro des Verbands der Speiseeisfabrikanten und einem grell beleuchteten Etablissement, der Grillimbiss, Cocktailbar und Nachtclub in einem war, fand er ein Internetcafé, das noch geöffnet hatte. Die zehn, zwölf Computer waren alle mit Teenagern besetzt, die Killerspiele spielten – ihre Nazis und GIs jagten einander durch massive virtuelle Bombenruinen, und der Aufpasser hielt mit stoischer Miene nachsichtig Wache.
»Wie lange machen die noch?«, hatte er auf Griechisch gefragt, und der Aufpasser hatte mit dem Daumen über seine sauber ausrasierte, dem Nike-Logo nachempfundene Fußballer-Koteletten gestrichen und verdrossen in australischem Englisch geantwortet:
»Bis alle tot sind.«
Er hatte sein Geld auf die Theke gelegt und war zum Warten in den Grillimbiss gegangen. Die Innenräume waren kaum beleuchtet, die Zerrspiegel an den Wänden mit Souvlaki- und Zigarettenschwaden vernebelt. Zwei Grufti-Mädchen mit grünen Longdrinks beobachteten ihn aus Pandaaugen. Ein DJ stand allein im Hintergrund und nickte im Rhythmus einer Rap-Metal-Nummer.
Er bestellte sich eine kleine Portion Souvlaki, kämpfte sich durch das verkohlte Schweinefleisch und trank aus. Dann ging er in das Café zurück. Die jungen Männer waren weg, nur der Aufpasser saß noch da und polierte ein Paar Zwölf-Loch-Stiefel. Die Wände erzitterten noch immer von dem dröhnenden Bass.
Die Feinde des Goldschakals sind Leoparden, Wölfe und Menschen. Er ernährt sich von Kleinsäugern, Insekten, Früchten und Aas. Außerdem ist er ein schneller und geschickter Jäger. Canis aureus wird nach Einbruch der Dunkelheit aktiv und durchstreift ein Revier von zweieinhalb Quadratkilometern. Kleinere Beutetiere springt er direkt an, größere Tiere hetzt er zu Stand, bevor er sie reißt. In der Nähe menschlicher Siedlungen kann der Schakal Vieh angreifen und Abfälle durchwühlen. Er überträgt nachgewiesenermaßen die Tollwut …
Seine E-Mails hatten auf ihn gewartet. Er war sie widerstrebend durchgegangen. Viel Spam, dazwischen ein paar Nachrichten, die er hätte lesen können – gelesen hätte, wenn er ein besserer Mensch gewesen wäre. Eine von Ted, zwei von seiner Mutter, ein Dutzend, die ihm von seiner Arbeit nachgesandt worden waren. Er hatte keine davon geöffnet. Es ärgerte ihn, wie die elektronische Post ihn an
Weitere Kostenlose Bücher