Verborgen
die Luft an.
Einen Moment lang war rein gar nichts zu hören. Es war, als hätte sich die Welt vor ihm oder vor dem Ding in seinen Händen zurückgezogen. Oder umgekehrt, als hätte er sich in seinen Schädel zurückgezogen wie eine Schnecke in ihr Haus:
Und dann waren überall Geräusche. Er schmiegte seine Wange an die kalte Wange des Gewehrs und hörte das Wasser tief drunten. Der rissige Kalkstein des Flusses. Eine schwarze Biene brummte durch den Thymian, so schwer wie eine Gewehrkugel. Vögel gurrten in den Maulbeerbäumen.
»Lass dir Zeit«, sagte Eberhard, und er schwenkte das Gewehr und feuerte zweimal.
Nur ein einziges Mal, als er noch klein war, hatte er seinen Vater in einer Schlägerei gesehen. Es war ein heißer Sommer, und die Menschenmenge in der Church Street brodelte und kochte zwischen den Marktständen. Sie waren alle da, sein Onkel Maurice, sein Vater, die Kinder und ihre Mutter, die mithalf. Onkel Maurice hatte ein lukratives Geschäft abgeschlossen: Von einem Mann in der Commercial Road hatte er einen größeren Posten Handventilatoren übernommen, und von einem Freund, der in seiner Schuld stand, eine Ladung Limonade. Am Morgen war er nach Smithfield gefahren, einen Block Eis holen, und den hatten sie in einer alten Zinkbadewanne zerstoßen und hundert Flaschen hineingelegt. Sie verkauften die Ventilatoren für vierzig Pence, und für ein Pfund bekam man drei Ventilatoren und eine Flasche Limonade obendrauf, und solange die Sonne schien, rissen sich die Leute darum. Lolly, Coll, Ted und er standen um den glitzernden Vorrat in der Badewanne herum, öffneten Flaschen, tranken so viel, wie sie konnten, drehten schier durch von der Sonne und dem vielen Zucker und hatten ständig Bläschen von der Limonade auf der Zunge. Fanta und Lilt aus dicken kalten Gläsern mit Papierhalmen.
Sie schnipsten mit den durchweichten Trinkhalmen Limonade in die Gegend, als Lolly Mr. Marinescu sah. Mr. Marinescu war der Eigentümer des Eiswagens, Marinescu Erfrischungen (Eis, eisgekühlte Getränke, Achtung Kinder) . Er stand jedes Wochenende vor Granada TV Rentals. Er sprach nicht gut Englisch, aber er war nett, hatte Lolly schon mal ein Eis am Stiel geschenkt, wegen ihres lustigen Namens. Jetzt schob er seinen Wagen durch die Menge. Mit seinen mächtigen runden Schultern hielt er Leute auf. In seiner dicken Hand hatte er den Eislöffel, wie ein ausgehöhltes silbernes Ei. Er sprach mit Onkel Maurice und ihrem Dad, sie nickten beide, und damit fing die Schlägerei an.
Onkel Maurice hob die Hand, wie es Kinder tun, die sich in der Schule melden (Ich, Herr Lehrer, ich!) , und setzte sich hin, die Hand immer noch erhoben, verfehlte aber seinen Anglersitz und verschwand hinter der Badewanne. Darüber mussten sie lachen, und dann kam ihre Mum und brachte sie alle vier aus der Schusslinie. In der Eile stolperten sie über die Bordsteinkante, und als er zurückschaute, sah er den Eislöffel in Mr. Marinescus Hand, und das Silber war himbeerrot verschmiert.
In der Rückschau kam es ihm unwahrscheinlich vor, dass er seinen Vater nur dieses eine einzige Mal bei einer Schlägerei erlebt hatte. Er wusste, dass so etwas vorkam, dass sein Vater manchmal mit Ted, ihrer Mutter oder anderen Männern handgreiflich wurde. Einmal hatte beim Abendessen das Telefon geläutet, und es war Sol Ullmann gewesen, der sich irgendwie mit dem Verkauf abgelaufener, herabgesetzter Schokolade über Wasser hielt. Er rief aus der Zelle vor seinem Laden an, in dem irgendwer – zwei Männer! Drei! – randalierten; und Bens Vater rannte aus dem Haus, und als Ben ihn beim Frühstück wiedersah, war er ausnahmsweise einmal ganz ruhig, freundlich, fast friedfertig; in der Küche roch es nach Jod und einem üppigen Frühstück, der Vater aß sein Rührei, und seine Fingerknöchel sahen aus wie rohe Hackfleischbröckchen.
Seine Mutter hatte ihn und die Geschwister damals weggebracht, und sie waren nicht die Einzigen, denen das passierte. Die Rauferei hatte ein Loch in die dicht gepackte Menschenmenge in der Church Street gerissen. Alle schrien, bis auf Bens Vater, und Mr. Marinescu regte sich über die eisgekühlten Limonaden auf. Er schwang seinen Eislöffel wie ein Messer oder ein Beweisstück. Sein Gesicht war so weiß geworden wie sein Hemd. Dann nickte Bens Vater, als sei er mit ihnen allen einer Meinung. Er ging auf Mr. Marinescu zu, die Hand beschwichtigend ausgestreckt, doch dann schlug er damit den Eislöffel beiseite, und die andere
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