Verborgene Liebesglut
nicht, welcher Sturm in seinem Innersten tobte. Er verbeugte sich leicht und erwiderte: „Madame, ich bin der Ansicht, daß dies eine Entscheidung ist, die jeder freiwillig treffen sollte. Man darf zur Ehe weder gezwungen noch überredet werden." Sollte dies ein Angriff auf Lady Fairfax sein, so ließ sie nicht im mindesten erkennen, daß sie diese Bemerkung als solche auffaßte. Scheinheilig lächelte sie den Lord an.
„Da hören Sie", rief Lady Fitzherbert mit gespielter Empörung. „Jetzt, da er selbst die Wonnen des Eheglücks genießen darf, denkt er nicht mehr an die, denen diese Freude nicht beschert ist. Madame, Sie werden noch viel Spaß mit dem Lord haben. Geben Sie gut acht, daß er Ihre Tochter niemals so sträflich vernachlässigt wie seine Freunde jetzt."
Lady Fairfax erwiderte mit geziertem Lächeln: „Liebste Freundin, wäre ich nicht davon überzeugt, daß der Lord sich meiner Tochter gegenüber in jeder Beziehung als Gentleman erweisen wird, hätte ich mich nie bereit erklärt, sie ihm anzuvertrauen."
Bei diesen Worten fiel es dem Major schwer, die Beherrschung zu wahren. Er konnte jedoch nicht umhin, Lady Fairfax mit einem vernichtenden Blick zu strafen. Diesem begegnete sie mit einem zuckersüßen Lächeln und fügte hinzu: „Sollte es mein Schwiegersohn allerdings jemals an dem gebührenden Respekt oder der nötigen Rücksicht fehlen lassen, so wird er in mir eine verständige Person finden, die ihn daran erinnern wird, was schicklich ist. Nicht wahr, mein Bester? Wir verstehen uns."
Der Major wurde rot vor Zorn und wandte sich eilig ab.
Wilcox jedoch erwiderte gelassen: „Wollen wir hoffen, daß es nie soweit kommen wird."
Lady Fairfax heftete ihren bohrenden Blick auf den Lord. Für einen kurzen Moment ließ sie die Maske der Höflichkeit fallen und entblößte ihr wahres, boshaftes Gesicht. Dieser Moment verstrich jedoch so schnell, wie er gekommen war, und schon wandte sie sich, ganz die fürsorgliche Gastgeberin, der Mätresse des Prinzen zu und erklärte: „Liebe Lady Fitzherbert, ich bin sicher, wir werden unseren guten Freund noch dazu bringen, sich Ihrer Interessen anzunehmen. Jetzt sollten Sie sich jedoch erst einmal mit einem Glas Champagner stärken, bevor die Feierlichkeiten beginnen." Sie legte den Arm um ihre neue Freundin und geleitete sie zu einem Diener, der Erfrischungen anbot. Dennoch ließ sie es sich nicht nehmen, den beiden Männern ein letztes, triumphierendes Lächeln zuzuwerfen.
„Diese Bestie!" schimpfte der Major empört.
Der Lord sah den beiden Damen hinterher. Nachdenklich bemerkte er: „Sie setzt alles daran, um ihr Ziel zu erreichen. Dabei schreckt sie vor nichts zurück. Genau das macht sie so gefährlich. Verstehst du nun, warum die Feierlichkeiten unter allen Umständen stattfinden müssen?"
Der Major nickte mißgestimmt. „Wahrscheinlich hast du recht."
Mit einem Blick auf seine smaragdbesetzte Taschenuhr stellte Wilcox fest, daß es Zeit war, sich in die Kapelle zu begeben. Tatsächlich hatte sich die Terrasse schon bald geleert. Die letzten Nachzügler drückten den Lakaien Gläser in die Hand und machten sich auf den Weg in die Kirche.
Der Lord atmete tief durch. „Komm, Thomas, wir wollen es hinter uns bringen." Gemeinsam folgten die Männer den Gästen und bogen um die Ecke des Haupthauses, wo die Kapelle lag.
Als sie die Kirche betraten, umfing sie festliches Dämmerlicht. Der schwere Geruch von Wachs mischte sich mit dem würzigen Duft des Weihrauchs.
„Es ist, als wäre Weihnachten", flüsterte der Major, der dicht an der Seite seines Freundes blieb.
Doch der Lord reagierte nicht. Sein Blick war starr geradeaus auf den Altar gerichtet, wo der Geistliche ihn bereits erwartete. An seiner Seite standen zwei Knaben in blütenweißen Chorhemden, die ihm während der Zeremonie assistieren sollten. Wie in Trance schritt Wilcox durch das Mittelschiff der vollbesetzten Kirche. Er bemerkte nicht, daß alle Köpfe sich ihm zuwandten, als er an den Anwesenden vorbeiging, und hörte auch nicht die leise geflüsterten Bemerkungen einiger Damen.
„Oh, sehen Sie nur, wie prachtvoll er aussieht."
„Ja, der Lord ist wahrhaft ein schöner Mann."
Er blickte immer nur geradeaus, als müßte er sich darauf konzentrieren, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Am Altar angekommen, begrüßte er den Geistlichen mit einigen gemessenen Worten. Der Major war zur Seite getreten und hatte den Platz des Trauzeugen, rechts neben dem Bräutigam,
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