Verborgene Lust
dass Leonardo nicht in der Stimmung zum Herumalbern ist. Er wirkt ernst.
»Was ist los?«, fragt sie.
»Raquel will ein Baby«, sagt er unumwunden. »Und das hier ist nicht die beste Umgebung für ein Kind.«
»Ihr bekommt ein Baby!«
In Valentina macht sich Enttäuschung breit. Nicht noch ein Freund, der eine Familie gründet, und vor allem nicht Leonardo.
»Sie ist noch nicht schwanger«, erklärt er. »Momentan versuchen wir es nur. Sie ist jetzt sechsunddreißig und hat Angst, dass ihr die Zeit davonläuft.«
Valentina denkt an Raquels Sanduhrfigur und ihre makellosen Schenkel. Sie hatte angenommen, dass sie im selben Alter wären.
»Mein Gott, so sieht sie aber nicht aus.«
Leonardo nimmt Valentinas Hand und zieht sie durch das Wasser zu sich.
»Sie sagt, dass sie immer davon geträumt hat, Mutter zu sein.«
Valentina schwebt vor ihm im Wasser. Sie weiß nicht, was sie sagen soll.
»Du wirkst schockiert. Meinst du nicht, dass ich ein guter Vater wäre?«, fragt Leonardo schließlich.
»Ich glaube, dass du ein hervorragender Vater sein wirst. Man muss sich nur ansehen, wie du dich um mich gekümmert hast.«
Er lächelt traurig.
»Mmh, das klingt ein bisschen pervers, Valentina.«
Sie kann sich nicht für ihn freuen. Es geht nicht. Ihr ist klar, dass sie selbstsüchtig ist, aber sie will nicht, dass Leonardo ein Baby mit Raquel bekommt.
»Was willst du machen, wenn du den Club schließt?«, fragt sie in dem Versuch, Zweifel zu säen.
»Ob du es glaubst oder nicht, ich habe noch andere Begabungen und kenne mich nicht nur in der Sexbranche aus.«
»Daran habe ich nie gezweifelt«, antwortet sie leise.
Er grinst.
»Ich bin ein begabter Masseur, was du natürlich weißt. In letzter Zeit habe ich mich auch mit Yoga beschäftigt. Ich glaube, ich würde gern unterrichten.«
Yoga ist wirklich das Letzte, von dem Valentina angenommen hätte, dass es Leonardo interessiert. Er wirkt nicht gerade wie der meditative Typ. Wenn sie sich etwas überhaupt nicht vorstellen kann, dann ist es Leonardo, wie er Kopfstand macht.
»Ist Yoga nicht ein bisschen zu lahm für dich?«
»Das kommt auf die Yogaart an, Valentina. Ashtanga- oder Bikram-Yoga sind alles andere als lahm.«
Valentina kann es kaum fassen. Gaby hat eine Weile Yoga gemacht und versucht, ihr einige Figuren beizubringen, aber Valentina fand die ganze Sache langweilig. Ihr fehlt die Geduld.
»Wenn du meinst …«, murmelt sie, lässt sich im Wasser von ihm wegtreiben und von den duftenden Wellen umschmeicheln.
»Du solltest es mal ausprobieren, es ist ganz fantastisch fürs Sexleben«, erklärt Leonardo.
»Mein Sexleben ist völlig in Ordnung, wie du weißt.«
Valentinas Finger werden runzelig. Sie steht auf und lässt das Wasser an ihrem geschmeidigen Körper hinabrinnen.
»Wann fliegst du nach London?«, will Leonardo wissen, blickt ihr dabei jedoch nicht ins Gesicht, sondern auf ihren Körper.
»Montag.« Sie steigt vorsichtig aus dem Pool und wendet Leonardo den Rücken zu. Sie will nicht, dass er ihr Gesicht sieht.
»Ich wollte dich fragen …« Sie kann nicht verhindern, dass ihre Stimme zittert. »Hast du Thomas’ Telefonnummer in London?«
Leonardo schweigt. Selbst verwirrt über ihre spontane Frage, sucht sie nach einem Handtuch. Sie will Thomas nicht anrufen, aber nur für den Fall, dass sie ihre Meinung doch noch ändert, kann es ja nicht schaden, seine Telefonnummer zu haben, oder? Sie hört, wie Leonardo aus dem Wasser steigt, dreht sich aber nicht um. Obwohl sie ihre Körper inzwischen bestens kennen, schämt sie sich ein wenig.
»Klar«, sagt Leonardo schließlich, »ich schicke dir später eine SMS.«
Sie schlingt sich das Handtuch um, knotet es fest zusammen und dreht sich zu ihm um. Leonardo trägt einen weißen Bademantel, seine schwarzen Locken hängen nass herab. Sie betrachtet ihn. Wenn er erst Vater ist, wird er nie mehr mit ihr spielen wollen. Sie muss ihn gar nicht erst danach fragen. Das weiß sie so. Aber das ist auch egal, oder? Schließlich waren sie nie ein Paar und können noch immer befreundet sein, auch wenn er ein Kind hat. Doch ihr ist klar, dass sie nicht mehr dieselben Erwartungen an ihre Freundschaft haben kann wie bisher. Auf einmal wünscht sie sich, Leonardo und nicht Antonella würde sie nach London begleiten. Wenn er bei ihr wäre, käme sie garantiert nicht in Versuchung, Thomas anzurufen.
»Kommst du zur Ausstellungseröffnung nach London?«, fragt sie versuchsweise.
Leonardo wirkt
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