Verborgene Lust
Haut und dicke buschige Augenbrauen. Aus der Nähe sieht er überhaupt nicht aus wie auf den alten Fotos, die sie von ihrem Vater besitzt. Beschämt wendet sie den Blick ab, ihr Herzschlag beruhigt sich.
Jetzt steht sie vor dem Haus ihres Vaters. Es ist ein schmales Reihenhaus mit Schiebefenstern und einem kleinen Vorgarten. Es ist zwar klein, aber es wirkt sehr gepflegt. Dieses hübsche kleine Haus passt nicht zu dem Bild, das Valentina von ihrem Vater hat, zu dem umherreisenden Journalisten. Dem Mann, der sich nicht um seine Kinder kümmert.
Sie holt tief Luft und will gerade die Stufen zum Eingang hinaufgehen, als sie etwas entdeckt. Aus dem Augenwinkel nimmt sie eine Gestalt wahr, jemand lungert hinter ihr herum. Sie dreht sich abrupt um und ist schockiert, als sie auf der anderen Straßenseite niemand anders als Thomas’ Rivalen, den Kunstdieb Glen, erblickt. Aufdringlich starrt er zu ihr herüber. Valentina betrachtet seine große Gestalt und seine blonden Haare, die in der Sonne wie eine goldene Krone glänzen. Er sieht wie ein futuristischer Racheengel aus. Obwohl es ein warmer Tag ist, ist er in einen langen schweren schwarzen Mantel gekleidet. Die Hände hat er in die Taschen geschoben. Er rührt sich nicht vom Fleck. Sie begreift, dass er auf sie wartet. Wie lange folgt er ihr bereits? Ist er ihr etwa den ganzen Weg bis zu diesem äußerst persönlichen Ort hinterhergegangen?
Die Angst vor der Begegnung mit ihrem Vater weicht der Wut auf diesen Mann, der erneut in ihr Leben eindringt. Sie überquert die Straße, bis sie direkt vor ihm steht. Er bewegt sich kein Stück, um ihr Platz zu machen, sodass ihre Absätze über den Bordstein ragen. Er ist so groß, dass sie zu ihm aufblicken muss. Zum Glück trägt sie eine Sonnenbrille, sodass die Sonne sie nicht blendet und sie ihn voller Verachtung ansehen kann, ohne dass er das deutlich sieht.
»Was machst du hier?«
»Hallo, Valentina, wie nett, dich wiederzusehen«, erwidert Glen mit seinem klaren englischen Akzent. »Herzlich willkommen in meiner Heimatstadt.«
»Wie kannst du es wagen, mich zu verfolgen? Lass mich in Ruhe.«
Sie ist so wütend, dass sie mit dem Finger auf sein Gesicht zeigt.
»Meine Güte, du wirkst etwas gereizt, meine Liebe«, entgegnet er. Blitzschnell fasst er ihren ausgestreckten Finger und presst ihn fest zusammen. Schmerz schießt durch Valentinas Hand ihren Arm hinauf.
»Lass mich los«, zischt sie.
Seine Augen funkeln.
»Ich muss sagen«, erklärt er ausdruckslos und hält noch immer ihre Hand so fest, dass sie das Gefühl hat, ihr Finger bräche gleich ab, »ich bin sehr froh, dass wir uns einfach so über den Weg laufen. Das ist sehr praktisch.«
»Was willst du?«, fragt sie und versucht sich von ihm loszumachen. »Wenn du mich nicht loslässt, schreie ich.«
Er lächelt und lässt ihre Hand los.
»Ich entschuldige mich. Ich wollte dir nicht wehtun«, behauptet er, aber es ist ganz klar, dass er genau das wollte.
»Halt dich von mir fern«, zischt sie. »Sonst melde ich dich der Polizei.«
Er verschränkt die Arme.
»Aber Valentina, du und dein Freund wollt doch nicht, dass sich die Polizei in unsere Geschäfte einmischt.«
»Er ist nicht mein Freund.« Sie lacht und fühlt sich überlegen. »Thomas und ich sind schon seit Monaten nicht mehr zusammen.«
Doch Glen schüttelt den Kopf und blickt wissend auf sie hinab.
»Ach nein, jeder sieht, dass ihr zwei zusammengehört. Euer Schicksal gehört zu den ganz großen Liebesgeschichten. Ich bin zuversichtlich, dass du eines Tages Thomas’ Ehering an diesem kleinen Finger hier tragen wirst.«
Er deutet auf ihre Hand, die sie daraufhin schützend in die Tasche steckt.
»Du täuschst dich. Er hat eine neue Freundin. Warum belästigst du die nicht?«
Valentina macht auf dem Absatz kehrt und geht die Straße zurück. Sie kann ihren Vater jetzt nicht besuchen. Nicht solange Glen sie verfolgt. Sie hört seine Schritte hinter sich, und egal wie schnell sie geht, er hält mit. Erneut steigt Wut in ihr auf, sie bleibt stehen und fährt herum.
»Was willst du? Was?«
Er schlendert dicht auf sie zu, sodass er mit seinen Lippen ihren Kopf streift. Sie spürt seinen Atem auf ihrer Stirn und nimmt seinen Geruch war. Diesen starken männlichen Moschusgeruch, den sie schon in Mailand so unerträglich fand.
»Du kannst Thomas eine Nachricht von mir übermitteln.« Er lächelt schmierig.
»Warum sagst du es ihm nicht selbst?«
»Weil er mir nicht zuhört, dir aber schon,
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