Verborgene Lust
Valentina.«
Sie zuckt mit den Schultern und versucht so zu tun, als interessiere sie das nicht.
»Also gut, wie lautet die Nachricht?«
»Sag ihm, er schuldet mir eine Million Dollar.«
Sie schnaubt verächtlich, aber Glen meint es offenbar ernst.
»Sag ihm, das wollte Gertrude Kinder mir für das Metsu-Bild zahlen.«
Valentina verschränkt die Arme.
»Ist es nicht unmoralisch, von einer alten Dame eine so riesige Summe für etwas zu verlangen, das ihr eigentlich ohnehin gehört?«
Glen lacht boshaft.
»Komm du mir nicht mit Moral, Valentina. Ich weiß, wie du lebst. Was du treibst …« Er grinst höhnisch. »Du bist ein sehr böses Mädchen.«
Seine Anspielung widert sie an.
»Das ist etwas völlig anderes.«
Er legt den Kopf auf die Seite.
»Nun, wir haben alle unsere eigenen Moralvorstellungen. Und ich verstehe nicht, was falsch daran ist, sich für einen gefährlichen Job bezahlen zu lassen. Meine Freiheit steht auf dem Spiel. Weißt du außerdem überhaupt, wie reich Gertrude Kinder ist? Warum sollte sie mich nicht bezahlen?«
»Ich glaube nicht, dass es viel Sinn hat, wenn ich Thomas erzähle, dass er dir all dieses Geld schuldet. Auch wenn ich ihn sehen sollte, solange ich in London bin«, meint sie.
»Aber ich habe ein Angebot für ihn«, sagt er. »Ich weiß, warum er hier ist. Ich weiß, worauf er es abgesehen hat.«
Valentina erinnert sich an das gestrige Gespräch, bei dem Thomas ihr erzählt hat, dass Glen natürlich hinter demselben Bild her ist.
»Du kannst ihm sagen: Wenn er mir den Masson überlässt, lasse ich die Vergangenheit ruhen. Sonst …«
»Was sonst?«, unterbricht sie ihn hitzig.
»Sonst muss ich dich nehmen.«
Ob dieser Dreistigkeit sieht Valentina Glen mit großen Augen an.
»Wie kommst du darauf, dass ich mich von dir ›nehmen‹ lasse? Ich gehöre keinem Mann. Ich habe noch nie einem Mann gehört, und das werde ich auch nicht.«
»Glaub mir, dir wird keine andere Wahl bleiben.«
Etwas an der Art, wie Glen das sagt, ängstigt Valentina, sie ist jedoch entschlossen, ihm das nicht zu zeigen. Sie stemmt die Hände in die Hüften und sieht ihn mit eiskaltem Blick an.
»Ich habe einen guten Rat für dich«, erklärt sie. »Halt dich von mir fern. Wenn du eine Nachricht für meinen Exfreund hast, wende dich direkt an ihn. Ich habe nichts damit zu tun.«
Bevor er etwas erwidern kann, springt Valentina auf einen Doppeldeckerbus, der gerade an einer Haltestelle in der Finchley Road hält. Mit klopfendem Herzen steigt sie die schmale Treppe hinauf. Ist Glen ihr gefolgt? Doch als sie sich setzt und aus dem Fenster blickt, sieht sie, dass Glen noch immer auf der Straße steht und mit bedrohlichem Blick zu ihr hinaufstarrt. Obwohl Thomas ihr versichert hat, dass der Kerl harmlos ist, überläuft ein unheilvolles Kribbeln Valentinas Körper.
Abends ist Valentina noch immer etwas beunruhigt und hat wenig Lust, mit Antonella auszugehen. Nachdem ihre Freundin jedoch zwei Tage ihres Katers wegen das Bett hüten musste, ist Antonella nun entschlossen, die verpasste Zeit aufzuholen.
»Wir sind nur noch ein paar Tage hier, Valentina. Wir müssen ausgehen! Außerdem hat Tante Isabella für heute Abend Karten für Crazy Horses »Forever Crazy« besorgt.«
»Ist das nicht diese Pariser Burlesque-Vorstellung?«
»Ja, aber sie treten zum ersten Mal in London auf. An der South Bank. Ich wollte sie schon immer mal sehen.«
Jetzt erinnert Valentina sich, ein Plakat gesehen zu haben, als sie heute Nachmittag mit der U-Bahn zurückgefahren ist. Es zeigte die Gesichter der Frauen, die alle die gleiche Perücke trugen: einen Bob à la Louise Brooks, genau wie sie.
»Geht man zu so etwas nicht mit seinem Freund anstatt mit einer Freundin?«
»Mit zwei Freundinnen«, korrigiert Antonella sie, kniet sich auf den Boden und öffnet ihren Koffer.
»Deine Tante kommt auch mit?«, fragt Valentina, erstaunt, dass eine ältere Frau sich für eine Burlesque-Vorstellung interessiert.
»Na klar, sie hat schließlich die Karten besorgt.«
Antonella beginnt, Kleider aus dem Koffer zu holen.
»Nun, was ziehen wir an? Wir müssen natürlich phänomenal aussehen.«
»Ich glaube, es ist ziemlich aussichtslos, mit diesen Schönheiten zu konkurrieren«, sagt Valentina und denkt an das Plakat.
Antonella dreht sich um und grinst sie an.
»Ganz im Gegenteil. Tantchen meint, dass sich dort wahrscheinlich ganze Gruppen junger Männer herumdrücken. Wir sollten uns auf einen kleinen Pausenflirt
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