Verborgene Macht
ihren Schritt und rief ihrer Freundin fröhlich zu: »Wir werden zu Mittag essen, uns ein wenig Einkaufstherapie gönnen... So wie in alten Zeiten, Cassie!«
»Du kannst jetzt schon ans Mittagessen denken? Du erstaunst mich.« Cassie schluckte ihr Unbehagen herunter und lachte. »Dann komm. Und wage es nicht, noch ein Taxi zu rufen. Wir werden die U-Bahn nehmen.«
Isabella stürmte davon und Cassie hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Sie musste darauf brennen, sich mit Jake zu treffen. Die Argentinierin war so glücklich wie ... wie ein Polopony in frischem Heu oder so ähnlich. Es war ziemlich beruhigend, zu sehen, dass es möglich war, trotz
all des Wahnsinns um sie herum so verliebt zu sein. Es machte Cassie Hoffnung für sich selbst und Ranjit.
Trotzdem, als sie am Lincoln Center ankamen und Jake auf dem Rand des Springbrunnens sitzen sahen – wo er mal wieder in seinen Laptop tippte -, konnte Cassie nicht anders. Sie blieb von sich aus zurück. Sie war sich nicht sicher, wie lange sie ihm verheimlichen konnte, dass Katerina, die Mörderin seiner Schwester, in New York herumlief. Kaum, dass Jake sie entdeckt hatte, sprang er auf, schob seinen Laptop schnell in die dazugehörige Tasche und kam herbeigelaufen. Nachdem er Isabella lang und ausgiebig in seine Arme geschlossen hatte, umarmte er auch Cassie flüchtig. Dabei stand in seinen Augen allerdings eine Anspannung, die sie nicht recht deuten konnte — als verberge er etwas, als halte er etwas zurück... Isabella schien nichts davon zu bemerken.
»Also, wo wollen wir essen? Oh, es ist so schön, wieder zusammen zu sein!«
Ja, dachte Cassie, obwohl eine wesentliche Person fehlt. Als Isabella und Jake sich an der Hand hielten, wurde ihr klar, wie sehr sie Ranjit vermisste, obwohl sie ihn erst gestern Nacht gesehen hatte.
Gestern Nacht.
Bei der Erinnerung an den Moment ihrer Trennung, Sir Alrics Eingreifen und ... dem, was davor geschehen war, verspürte sie einen Knoten im Magen. Sie konnte erklären, was zwischen ihnen ablief — der magnetische Sog war schwer zu begreifen. Er mochte sie, oder? Wahrscheinlich schon, wenn er dafür riskierte, dass ihn viele der Auserwählten verachteten. Und der Funke zwischen ihnen – er schien nicht von dieser Welt. Es gab keinen Grund, Angst zu haben, oder?
»Auf keinen Fall zottele ich den ganzen Nachmittag durch Bloomingdale’s hinter euch her, während ihr den halben Laden anprobiert«, erklärte Jake Isabella. Dabei sah er aus, als würde er ihr bis ans Ende der Welt hinterherzotteln, wenn sie auch nur mit dem kleinen Finger winkte.
»Ach, wir wollen doch nur ein bisschen einkaufen. Sei nicht so ein Spielverderber. Oh! Wir haben gefrühstückt, Jake! Wir haben uns in einer wunderbaren Teestube vollgestopft.«
»Cool. Ich freue mich, dass ihr einen entspannten Morgen hattet, nach allem, was gestern Abend passiert ist.«
»Also, wenn Einkaufen gestrichen ist, was schlägst du dann stattdessen vor, Jake?«, fragte Cassie und musterte ihn eingehend. Seine Miene hellte sich auf.
»Ähm, keine Ahnung... Ein wenig Sightseeing? Wie wär’s mit dem Chrysler Buildung oder dem Time Square? Oder St Patrick's! Wie ich schon sagte, es macht Spaß, in meiner eigenen Stadt Tourist zu sein. Ich habe sie noch nie zuvor so erlebt.«
»Ich will trotzdem ein paar Geschäfte sehen!« Isabella versetzte Jake einen liebevollen Knuff in den Solarplexus, sodass er sich beinahe krümmte. »Oh, wo wir gerade davon sprechen — schaut euch das an...« Sie stürzte auf ein teuer aussehendes Schaufenster zu und betrachtete mit weit aufgerissenen Augen die Handtaschen in der Auslage. Cassie wollte ihr halbherzig folgen, blieb jedoch stehen, als Jake drängend ihren Namen flüsterte.
»Cassie...«
Sie drehte sich um, warf einen letzten Blick auf Isabella und ging dann zu ihm hinüber. Ihre Nerven lagen blank. Worüber er auch immer reden wollte, es würde nichts Gutes sein. Jake musterte sie ernst.
»Was?«
»Hör mal, ich weiß, es klingt verrückt, aber ich glaube, wir könnten möglicherweise alle in Gefahr sein.«
Cassies Augen weiteten sich. »Gefahr? Wie meinst du das?«
»Gestern Abend... Die Person, die versucht hat, Isabella zu entführen ...« Jake holte tief Luft und fuhr sich mit der Hand durch das kurze Haar. »Ich denke, es war Katerina.«
»Was? Nein, Jake ...«
»Sieh mal, ich weiß, was du sagen willst - dass ich vor lauter Besessenheit weiße Mäuse sehe —, aber ich konnte den Angreifer deutlich sehen,
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