Verborgene Macht
einen Grund zur Sorge geben.
Isabella zuckte resigniert die Achseln und fuhr sich mit den Händen durch ihre Mähne. »In Ordnung, du hast recht. Es ist nicht seine Schuld. Oh, warum war ich so gemein zu ihm?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Cassie widerstrebend.
Isabella hakte sich abermals bei ihrer Freundin unter. »Na ja, ich werde es später wiedergutmachen«, sagte sie spitzbübisch. »In der Zwischenzeit sollte eine Tour durch Bloomingdale’s meinen Geist wieder beleben.«
Vielleicht, dachte Cassie düster. Hoffen wir, dass nicht auch mein Geist davon wieder lebendig wird.
KAPITEL 14
»Das hat Spaß gemacht!«, sagte Cassie.
Tatsächlich meinte sie es beinahe ernst - Isabellas Begeisterung fürs Shoppen war ansteckend und lenkte Cassie ab — zumindest für den Moment. »Ich gehe davon aus, dass du geziemend getröstet bist?«
»Uff!«, antwortete Isabella. Sie blieb im Atrium der Akademie stehen, direkt neben Achilles, und stellte ihre Sammlung von Einkaufstaschen ab. Cassie seufzte ebenfalls. Sie war sich der Blicke und des Getuschels der Auserwählten um sie herum nur allzu deutlich bewusst. Die Geschichte von der Carnegie Hall war im Gemeinschaftsraum offensichtlich gründlich durchgekaut worden. Vor allem Mikhail warf ihr im Vorbeigehen einen bösen Blick zu. Einige der Auserwählten hatten sie vorher schon nicht besonders leiden können, aber ihr graute bei dem Gedanken, wie sie jetzt zu ihr stehen würden.
Isabella ließ die Schultern kreisen, bückte sich und zupfte eine Tüte auf. Achilles’ leere Augen starrten direkt hinein.
»Er missbilligt deine Einkäufe«, bemerkte Cassie und deutete mit dem Daumen auf den jungen Marmorkrieger.
»Mehr muss ich nicht wissen«, schnüffelte Isabella. »Er ist ein Mann ohne Herz. Schau dir nur an, wie er den armen Hektor behandelt.« Voller Zuneigung tätschelte sie Hektors kalten Marmorarm, in nutzlosem Protest gegen seinen unmittelbar bevorstehenden Tod erhoben. »Ja. Ich betrachte mich als getröstet. Bergdorf Goodman war ein besonderer Triumph.«
»Mädels, ihr seid ganz schön unartig gewesen.«
Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Cassie, dass Achilles gesprochen hatte. Dann bemerkte sie Richard. Er lehnte träge, mit einer Hand auf Achilles’ wohlgeformtem Hinterteil, an der Statue. Eine Gruppe von Mädchen, die zu den Auserwählten gehörten, starrte erst ihn und dann sichtlich ungläubig und feindselig Cassie an. Richard ignorierte sie.
»Richard!« Isabella küsste ihn auf beide Wangen, bevor sie Cassie schuldbewusst ansah. »Das sagt der Richtige. Warst du nicht gestern statt in französischer Literatur bei Gucci?«
Richard grinste verschlagen. »Touché! Fabelhafter Mantel, bella lsabella. Cassie, du siehst umwerfend aus wie eh und je.«
Sie lächelte ihn durch zusammengebissene Zähne hindurch an, bewahrte aber eisernes Schweigen. Sie hatte größte Mühe, ihn nicht zu erwürgen. Isabellas Anwesenheit war so ziemlich alles, was sie davon abhielt. Es war ihr egal, ob er den reuigen, schuldbewussten Sünder mimte. Sie vertraute ihm nicht mal so weit, wie sie ihn werfen könnte - mitten in diesem Gedanken unterbrach sie sich selbst. Nach den Ereignissen des vergangenen Abends war das keine besonders angenehme Metapher.
Richard nahm einen Kaschmirschal vom Hals und senkte die Stimme. »Cassie, Liebling, irgendwann musst du mir verzeihen.«
»Das glaube ich nicht«, fuhr Cassie ihn an.
»Na, dann.« Er grüßte eine hochgewachsene, schüchtern wirkende neue Oberstufenschülerin, die errötend lächelte, während sie sich den überlangen, blonden Pony aus den Augen strich. »Ich fürchte, ihr müsst mich entschuldigen.«
»Oh, Richard«, schalt Isabella, die seinem Blick gefolgt war. »Du bist unmöglich.«
»Im Gegenteil, ich bin nur allzu möglich. Und, oh je, hier kommt Daniel wieder«, seufzte Richard, als er einen gut gebauten Israeli bemerkte, der schnurstracks auf sie zumarschierte. »Ich habe einen Stalker, meine Damen. Eine kleine Affäre, und jetzt lässt er mich einfach nicht mehr in Ruhe. Wenn man jemandem einmal den kleinen Fingen reicht... Gehabt euch wohl.« Mit einem letzten flirtenden Zwinkern in Richtung der blonden Oberstufenschülerin verschwand Richard flink in Richtung der Aufzüge und ließ Daniel unbeachtet stehen.
»Er wird sich niemals ändern«, bemerkte Isabella kopfschüttelnd. Dann schaute sie vorsichtig zu Cassie hinüber. »Denkst du, dass du ihm jemals verzeihen wirst?«
»Nein.«
Der Aufzug
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