Verborgene Muster
geschlafen hatte, dass er während der kurzen Nacht
schwer geschuftet hatte. Er fuhr mit dem Taxi nach Hause - scheiß auf das Geld - und schleppte
sich die gewundene Treppe zu seiner Wohnung hinauf. Der Katzengestank war überwältigend. Hinter
seiner Tür erwartete ihn ein nicht abgestempelter Brief. Er fluchte laut. Der Dreckskerl war
überall, überall und doch unsichtbar. Er riss den Brief auf und las.
DU KOMMST NICHT WEITER. KEIN STÜCK WEITER. STIMMT'S? UNTERZEICHNET
Aber da war keine Unterschrift, jedenfalls keine handschriftliche. Doch in dem Umschlag lag, wie
ein Kinderspielzeug, ein Stück Schnur mit einem Knoten.
»Warum tust du das, Mister Knoten?«, sagte Rebus, während er die Schnur befühlte. »Und was tust
du überhaupt?« In der Wohnung war es wie in einem Kühlschrank; die Zündflamme war schon wieder
ausgegangen.
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Teil 3
Knoten
XIII
Die Medien, die spürten, dass der »Würger von Edinburgh« sich nicht einfach in Luft auflösen
würde, stiegen voll in die Geschichte ein und schufen ein Monster. Fernseh-Crews zogen in einige
der besseren Hotelzimmer in der Stadt, und die Stadt war ganz froh, sie zu haben, da die
Touristensaison noch nicht so richtig begonnen hatte.
Als gewiefter Chefredakteur ließ Tom Jameson ein Team von vier Reportern an der Geschichte
arbeiten. Allerdings entging ihm nicht, dass Jim Stevens nicht gerade in Bestform war. Er wirkte
desinteressiert - ein schlechtes Zeichen bei einem Journalisten. Jameson machte sich Sorgen.
Stevens war der Beste, den er hatte. Sein Name war den Leuten ein Begriff. Er würde mit ihm
darüber reden müssen.
Da der Fall mit dem wachsenden Interesse immer größere Dimensionen annahm, konnten John Rebus und
Gill Templer fast nur noch per Telefon miteinander reden und nur gelegentlich liefen sie sich im
Präsidium oder dessen Umgebung über den Weg. Rebus bekam seine alte Dienststelle kaum noch zu
sehen. Im Grunde war er selber ein Opfer des Mordfalls, und man erklärte ihm, er dürfe von früh
bis spät an nichts anderes denken. In Wirklichkeit dachte er über alles andere nach, über Gill,
über die Briefe und darüber, dass sein Auto nicht durch den TÜV kommen würde. Und die ganze Zeit
beobachtete er Anderson, den Vater von Rhonas Geliebten, beobachtete ihn, wie er immer
verzweifelter nach einem Motiv, einem Anhaltspunkt, nach irgendetwas suchte. Es war fast ein
Vergnügen, den Mann in Aktion zu erleben.
Was die Briefe anging, so war Rebus mittlerweile ziemlich überzeugt, dass seine Frau und seine
Tochter nichts damit zu tun hatten. Ein schwacher Fleck auf Mr. Knotens letztem Schreiben war
(als Gegenleistung für ein Pint) von den Jungs im Labor untersucht worden und hatte sich als Blut
herausgestellt. Hatte der Mann sich am Finger verletzt, als er die Schnur abschnitt? Ein weiteres
kleines Rätsel. Und Rebus' Leben war voller Rätsel. Und nicht das Geringste davon war, wohin
seine täglich erlaubten zehn Zigaretten verschwanden. Wenn er am späten Nachmittag sein Päckchen
aufmachte und zählte, wie viel noch drin war, stellte er regelmäßig fest, dass er anscheinend
seine gesamte Ration bereits aufgeraucht hatte. Es war absurd. Er konnte sich kaum erinnern, eine
von den zehn geraucht zu haben, geschweige denn alle. Doch die Anzahl der Kippen in seinem
Aschenbecher stellte einen so schlagenden empirischen Beweis dar, dass jedes Leugnen vergebens
war. Aber verdammt merkwürdig war es schon. Es war, als würde er einen Teil seines wachen Daseins
ausschalten.
Er war zurzeit in der Einsatzzentrale im Präsidium stationiert, während Jack Morton, das arme
Schwein, bei den Von-Haus-zu-Haus-Befragungen eingesetzt war. Von seinem Posten aus konnte Rebus
erkennen, wie stümperhaft Anderson die Ermittlungen leitete. Kaum verwunderlich, dass aus dem
Sohn dieses Mannes nichts Gescheites geworden war. Rebus musste sich mit den vielen
Telefonanrufen auseinandersetzen - von Leuten, die zu helfen versuchten, bis zu irgendwelchen
Verrückten, die ein Geständnis ablegen wollten - und außerdem die Protokolle der Vernehmungen
sichten, die zu jeder Tages- und Nachtzeit im Gebäude selbst geführt wurden. Es gab Hunderte
davon, und alle mussten sie abgeheftet und auf irgendeine Art nach ihrer Wichtigkeit geordnet
werden.
Es war eine endlose Aufgabe, aber es bestand immer die Chance, dass sich ein Hinweis daraus
ergeben könnte. Deshalb konnte er sich keine Nachlässigkeit erlauben.
In der hektischen,
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