Verborgene Muster
er Kopfschmerzen.
»... und die Sache ist die, Mister Rebus, dass mir rein zufällig ein Muster darin aufgefallen
ist, wie dieser Mörder seine Opfer auswählt.«
Rebus setzte sich auf die Schreibtischkante. Er umklammerte den Bleistift so fest, als wollte er
ihn zerdrücken.
»Ach ja?«, sagte er.
»Ja. Ich habe die Namen der Opfer hier vor mir auf einem Blatt Papier stehen. Vielleicht hätte es
einem schon früher auffallen sollen, aber ich habe erst heute einen Bericht in einer Zeitung
gesehen, in dem alle Namen dieser armen Mädchen aufgeführt waren. Wissen Sie, normalerweise kaufe
ich die Times, aber ich konnte sie heute Morgen einfach nicht bekommen, deshalb habe ich eine
andere Zeitung genommen. Und da stand es drin. Es hat vielleicht nichts zu bedeuten, ist reiner
Zufall, aber vielleicht auch nicht. Das müssen Sie und Ihre Kollegen entscheiden. Ich wollte nur
daraufhinweisen.«
Jack Morton kam qualmend ins Büro und winkte, als er Rebus sah. Rebus antwortete mit einer
ruckartigen Kopfbewegung. Jack wirkte erschöpft. Alle wirkten erschöpft, und er saß hier, frisch
und ausgeruht nach seiner Erholungspause, und telefonierte mit einem Verrückten.
»Worauf genau hinweisen, Professor Eiser?«
»Nun ja, sehen Sie das denn nicht? Die Namen der Opfer in chronologischer Reihenfolge waren
Sandra Adams, Mary Andrews, Nicola Turner und Helen Abbot.« Jack schlurfte auf Rebus' Tisch zu.
»Als Akrostichon gelesen«, fuhr die Stimme fort, »ergibt sich daraus ein weiterer Name -
Samantha. Vielleicht das nächste Opfer des Mörders? Eskönnte allerdings auch purer Zufall sein,
ein Spiel, wo gar keins ist.«
Rebus knallte den Hörer auf, war in der nächsten Sekunde vom Schreibtisch und riss Jack Morton an
der Krawatte herum. Morton schnappte nach Luft, und die Zigarette flog ihm aus dem Mund.
»Hast du dein Auto draußen, Jack?«
Immer noch keuchend, antwortete Jack mit einem Nicken. Mein Gott, mein Gott. Es war also wahr. Es
hatte alles mit ihm zu tun. Samantha. All die Anhaltspunkte, all die Morde waren eine Botschaft
an ihn gewesen. Mein Gott. Hilf mir, o hilf mir.
Seine Tochter würde das nächste Opfer des Würgers sein.
Rhona Philips sah das Auto vor ihrem Haus parken, aber sie dachte sich nichts dabei. Sie wollte
nur raus aus dem Regen. Sie lief zur Haustür, gefolgt von Samantha, die etwas lustlos wirkte, und
schloss auf.
»Es ist scheußlich draußen!«, rief sie ins Wohnzimmer. Sie schüttelte ihren Regenmantel aus und
ging auf den immer noch laut plärrenden Fernseher zu. Da sah sie Andy in seinem Sessel sitzen.
Seine Hände waren hinter dem Kopf gefesselt, und der Mund war mit einem großen Stück Heftpflaster
zugeklebt. Von seinem Hals baumelte ein Stück Schnur.
Rhona wollte gerade den lautesten Schrei ihres Lebens loslassen, als sie von einem schweren
Gegenstand am Hinterkopf getroffen wurde. Sie taumelte ein Stück nach vorne, brach über den
Beinen ihres Geliebten zusammen und verlor das Bewusstsein.
»Hallo, Samantha«, sagte eine Stimme, die sie erkannte, obwohl sein Gesicht vermummt war, sodass
sie sein Lächeln nicht sehen konnte.
Mortons Auto raste mit Blaulicht durch die Stadt, als ob der Teufel persönlich hinter ihnen her
wäre. Rebus versuchte, ihm während der Fahrt alles zu erklären, aber er war zu nervös, um sich
klar auszudrücken, und Jack Morton musste zu sehr auf den Verkehr achten, um richtig zuzuhören.
Sie hatten Unterstützung angefordert, einen Wagen zur Schule, für den Fall, dass sie noch da war,
und zwei Wagen zum Haus mit der Warnung, dass der Würger sich dort aufhalten konnte. Vorsicht war
angesagt.
Auf der Queensferry Road beschleunigte Morton den Wagen auf fünfundachtzig Meilen und bog dann
wie ein Geisteskranker mitten durch den entgegenkommenden Verkehr rechts ab. Kurz darauf
erreichten sie die schicke Wohnanlage, wo Rhona, Samantha und Rhonas neuer Freund jetzt
wohnten.
»Gleich hier rein«, brüllte Rebus gegen den Lärm des Motors an. Noch wollte er die Hoffnung nicht
ganz aufgeben. Als sie in die Straße bogen, sahen sie, dass die beiden Polizeiwagen bereits vor
dem Haus standen. Und Rhonas Auto stand wie ein Symbol der Vergeblichkeit in der
Einfahrt.
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XX
Sie wollten ihm Beruhigungsmittel geben, aber er wollte nichts nehmen. Sie sagten, er solle
nach Hause gehen, aber er hörte nicht auf ihren Rat. Wie konnte er nach Hause gehen, wo Rhona
irgendwo über ihm im Krankenhaus lag? Wo seine Tochter entführt, sein ganzes Leben
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