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Verborgene Muster

Titel: Verborgene Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Euphemismus. Scheiß, scheiß Regen. Mal wieder
typisch, ausgerechnet wenn sie einen freien Tag hatte. Und auch typisch, dass Andrew und sie sich
gestritten hatten. Und jetzt saß er schmollend in seinem Sessel, die Beine untergeschlagen. Mal
wieder so ein Tag. Und dann musste sie heute Abend auch noch Gutachten schreiben. Gott sei Dank
hatten die Prüfungen angefangen. Die Kinder schienen dann etwas gefügiger zu sein, die großen
litten unter Prüfungsfieber oder Prüfungsapathie, und die jüngeren sahen ihre unausweichliche
Zukunft in den Gesichtern ihrer älteren vom Schicksal verdammten Mitschüler vorgezeichnet. Es war
eine interessante Zeit im Jahr. Bald würde Sammy diese Angst auch kennen lernen, Sammy, die
jetzt, wo sie schon fast eine Frau war, mit Samantha angeredet wurde. Aber auch auf Eltern kamen
Ängste zu. Die Angst vor der Pubertät, vor dem Ausprobieren.
Er beobachtete sie von seinem Escort aus, wie sie den Wagen rückwärts aus der Einfahrt setzte.
Perfekt. Er würde ungefähr fünfzehn Minuten warten müssen. Als ihr Auto verschwunden war, fuhr er
mit seinem vors Haus und hielt an. Er betrachtete prüfend die Fenster des Hauses. Ihr Typ würde
allein drinnen sein. Er stieg aus dem Auto und ging zur Haustür.

Als Rebus nach dem ergebnislosen Gespräch wieder in der Einsatzzentrale war, ahnte er nicht, dass
Anderson plante, ihn überwachen zu lassen. Im Einsatzraum sah es ziemlich chaotisch aus. Überall
lagen Papiere herum, in eine Ecke hatte man einen kleinen Computer gezwängt, die Wände waren mit
Tabellen, Einsatzplänen und sonst was tapeziert.
»Ich muss zu einer Besprechung«, sagte Gill. »Wir sehen uns später. Hör mal, John, ich glaube
wirklich, dass es da eine Verbindung gibt. Nenn es weibliche Intuition, nenn es detektivische
Spürnase, nenn es, wie du willst, aber nimm mich ernst. Denk darüber nach. Überleg, wer noch eine
Rechnung mit dir offen hat. Bitte.«
Er nickte, dann sah er ihr nach, wie sie sich auf den Weg zu ihrem Büro in einem anderen Teil des
Gebäudes machte. Rebus war sich nicht mehr so sicher, welches sein Schreibtisch war. Er ließ
seinen Blick durch den Raum wandern. Irgendwie sah alles anders aus, als ob ein paar
Schreibtische umgestellt oder zusammengeschoben worden waren. Auf dem Schreibtisch neben ihm
klingelte das Telefon. Und obwohl andere Beamte und auch Telefonisten in der Nahe waren, nahm er
den Hörer ab in dem Bemühen, wieder an den Ermittlungen teilzunehmen. Er betete, dass er nicht
selbst das Ziel der Ermittlungen war. Er betete und vergaß, was Gebet eigentlich war.
»Einsatzzentrale«, sagte er. »Detective Sergeant Rebus am Apparat.«
»Rebus? Was für ein seltsamer Name.« Die Stimme klang alt, aber lebhaft und eindeutig gebildet.
»Rebus«, sagte der Mann erneut, als ob er sich den Namen notierte. Rebus fixierte das
Telefon.
»Und Ihr Name, Sir?«
»Ach ja, ich bin Michael Eiser, E-I-S-E-R, Professor für englische Literatur hier an der
Universität.«
»Ja, Sir?« Rebus schnappte sich einen Bleistift und notierte sich den Namen. »Und was kann ich
für Sie tun, Sir?«
»Also Mister Rebus, ich glaube, es ist wohl eher die Frage, was ich für Sie tun kann, obwohl ich
mich natürlich irren könnte.« Rebus sah den Mann regelrecht vor sich, falls der Anruf nicht von
irgendeinem Spinner kam - wirres Haar, Fliege, zerknitterter Tweedanzug und alte Schuhe. Und beim
Sprechen würde der Mann wild mit den Händen herumgestikulieren. »Ich interessiere mich nämlich
für Sprachspiele. Ich schreibe zurzeit sogar ein Buch darüber. Es heißt Leseorientierte
empirische Sprachanalyse englischer Redewendungen. Erkennen Sie das Wortspiel? Es ist ein
Akrostichon. Aus den Anfangsbuchstaben jedes Wortes ergibt sich ein weiteres Wort - in dem Fall
Leser. Es ist ein Spiel so alt wie die Literatur selbst. Mein Buch untersucht allerdings dieses
Phänomen in neueren Werken. Bei Nabokov, Burgess und anderen. Natürlich sind Akrosticha nur ein
winziger Teil des Repertoires an Stilmitteln, die ein Autor einsetzt, um den Leser zu
unterhalten, zu lenken oder zu überzeugen.« Rebus versuchte, den Mann zu unterbrechen, aber es
war so, als wollte man einen angreifenden Stier aufhalten. Also war er gezwungen zuzuhören und
fragte sich die ganze Zeit, ob der Anruf von einem Verrückten kam, ob er - entgegen aller
Vorschrift - einfach den Hörer auflegen sollte. Schließlich hatte er über wichtigere Dinge
nachzudenken. Außerdem hatte

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