Verborgene Sehnsucht
das, was ihnen in der Hose fehlte?
Tania schnaubte. Wahrscheinlich. Heute jedoch war sie dankbar für die testosteroninduzierte Dummheit. Sie hatte ihren Mini gerade neu lackieren lassen – kirschrot mit weißen Rallyestreifen … süßer ging es nicht. Da musste sie es nicht riskieren, dass ihr Mädchen von dem Haufen Muskeln ramponiert wurde, die am anderen Ende des Parkplatzes mit ihrer Größe protzten.
Sie holte tief Luft, starrte aus der Frontscheibe auf den Maschendrahtzaun und dachte über die Durchführbarkeit ihres Plans nach. Detective MacCord war kein leichter Gegner. Der Kerl war hart wie Kyanit. Schmerzresistent. Druckunempfindlich. Nervig wie die Hölle. Rann durch ihre Adern wie langsam wirkendes Gift.
Himmel, warum bekam sie ihn nur nicht aus dem Kopf? Sie hatte alles versucht. Sogar eine Wochenration Schokolade vertilgt – vor zehn Uhr morgens! War mittags joggen gegangen. Hatte Kopfschmerzen vorgeschützt und sich früh aus dem Büro verabschiedet, um noch eine Runde schwimmen zu gehen, sich so verausgabt, dass sie am Ende kaum noch die Arme heben konnte. Aber, oh nein. Nichts half. MacCord klebte an ihr wie Kaugummi an einer Schuhsohle. Und kein mentales Reinigungsmittel bekam ihn ab.
Tania beugte sich nach vorne und lehnte die Stirn gegen das Lenkrad. Der Drang, sich wehzutun – einfach kurz den Kopf zurückzuziehen und die Aufregung an ihrem Frontallappen auszulassen – rang einen Moment lang mit dem Selbsterhaltungstrieb. Aber sich eine Beule zu verpassen, würde ihr auch nicht helfen. Dann sähe sie aus wie eine schlechte Version von Frankenstein, wenn sie MacCord gegenüberstand. Denn … ja. Sie würde dort hineingehen. Ihm mit der Tatsache eins über den Kopf ziehen, dass sie seinen Job machte. Ein paar Neuigkeiten über ihre vermisste beste Freundin ausgegraben hatte. Über den Fall, an dessen Lösung eigentlich MacCord arbeiten sollte. Dieser verfluchte Cop. Er sollte sie auf dem Laufenden halten, nicht umgekehrt.
Mit einem Seufzen stieß sie sich vom Lenkrad ab, zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und griff nach ihrer Handtasche. Der lederne Designerbeutel reagierte auf ihren Ruf und ließ sich in ihrem Schoß nieder, während Tania in ihrem Inneren nach dem iPhone kramte.
»Bitte, bitte, bitte«, murmelte sie, während sie die verpassten Anrufe durchging.
Keiner von Angela Keen, der Ausnahmepartnerin des Bastards. Mist. Sie hatte … was? Sieben Nachrichten hinterlassen? Und trotzdem hatte Detective Keen nicht zurückgerufen. Es erschien ihr seltsam, denn Tania hatte den Eindruck, die Polizistin versäumte niemals etwas. Vor allem vor dem Hintergrund, dass sie ihr den neuen Hinweis auf die Mailbox gesprochen hatte.
Myst lebte. Sie war noch immer verschwunden, aber sie lebte.
Tania wusste es, weil sie die feuchten Handtücher entdeckt hatte. Okay, das klang verrückt, aber irgendjemand hatte die Dusche ihrer besten Freundin benutzt. Shampooflaschen durcheinandergebracht. Make-up über den Schminktisch im Badezimmer verteilt. Mysts Kleiderschrankschublade geplündert – diejenige, in der sie ihre Krankenhausklamotten aufbewahrte – und einen Berg aus Frottee zurückgelassen. Ein eindeutiger Beweis. Irgendwann während der letzten vierundzwanzig Stunden war Myst in ihrem Loft gewesen.
Sie wusste es so genau, wie sie hier in ihrem Mini saß, die Handtasche auf den Schoß gepresst. Warum ihre Freundin sie nicht angerufen hatte, wusste sie allerdings nicht. Vielleicht hielten die Kidnapper sie an der kurzen Leine.
Tania schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Auch nicht über irgendwelche anderen schrecklichen Szenarien. Jetzt oder nie. Es war an der Zeit, die Detectives aufzuscheuchen.
Sie zog am Riegel und stieß vorsichtig die Tür auf, um nicht an den Truck zu stoßen, der neben ihr stand, dann trat sie auf den gesprungenen Asphalt. Das Klacken ihrer sieben Zentimeter Absätze ging unter im grellen Kreischen einer Kreissäge, verschluckt von den Rufen der Männer, während die Feuerwehrleute den Stahl durchschnitten. Tania sah zu, wie die Funken flogen und hoch in die Luft stiegen, während sie den Parkplatz überquerte. Sie schlüpfte zwischen den Autos hindurch, umging den umgestürzten Telefonmast und hielt direkt auf die Eingangstür zu: die Schultern gestrafft, den Kopf hoch erhoben, tat sie so, als gehöre sie hierher. Das Letzte, was sie brauchte, war, dass jemand sie aufhielt und wegschickte … ihr sagte, sie solle wiederkommen, wenn das
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