Verborgene Sehnsucht
Ihren Mut und ihren Sachverstand erstickt. Aber sie wollte daran glauben, dass sie all diese Dinge mit Rikar zurückgewinnen konnte. Wieder sie selbst werden konnte. Dass Tapferkeit und der Glaube an sich selbst an die Tatsache geknüpft waren, dass er sie wollte. Sie trotzdem wollte, obwohl ein anderer sie verletzt hatte. Und seine Akzeptanz veränderte alles.
Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.
Sie hielt noch immer Rikars Hand und warf einen Blick über die Schulter. Der Mann, den sie gewählt hatte, erwiderte ihren Blick. Ernsthaft, geduldig … wunderschön. Sie lächelte ihn an. Nicht breit, nur eine leichte Bewegung ihrer Lippen, aber die Botschaft war klar. Endlich alleine. Und auch wenn es sie glücklich machte, ihn für sich zu haben, entging ihr die Ironie der Situation keineswegs.
Den ganzen Weg im Lift nach oben hatte sie es sich vorgestellt. Wie sie ihn in eine dunkle Ecke zog und was sie mit ihm anstellen würde. Wie sie ihn anmachen würde, flachlegen , wie Mac es so elegant ausgedrückt hatte. Aber jetzt, da sie alleine waren, wollte sie nur noch weinen. Das Ventil ihres inneren Dampfdrucktopfes öffnen und sich gehen lassen. Den Verlust ihres alten Lebens betrauern und sich mit ihrem neuen abfinden, denn … ja. Sie würde nie mehr zurückkehren.
Die Erkenntnis hätte ihr noch mehr Angst einjagen sollen.
Aber irgendwie tat sie das nicht. Rikar machte die Vorstellung, in seiner Welt zu bleiben – Teil des Teams zu werden – reizvoll. Und sogar noch während das Areal ihres Gehirns, das das intellektuelle Basislager überwachte, noch rief »Vorsicht, Kleine«, akzeptierte ihr Herz die Wahrheit. Angela wollte nicht zurück. Sie wollte bei Rikar sein. So lange, wie er sie bleiben ließ.
Die verfluchte Magie war egal. Die Drachenseite der Gleichung war egal. Der Meridian war egal, genauso wie ihre Verbindung zu ihm. Nur Rikar zählte. Also scheiß drauf. Sie würde sich darauf einlassen … und auf ihn. Fall geschlossen. Akte abgelegt.
»Angela«, murmelte er.
Ihre Augen schlossen sich. Hmm, seine Stimme. Sie liebte es, wie er ihren Namen aussprach. Weich. Tief. Voller Versprechen und versteckter Lust, die nur eines sagte: mein. Und während sie seine Gegenwart in sich aufnahm, seinen starken Körper hinter sich spürte, betete sie, dass er genau das meinte. Dass sie sein war. Und er der ihre. Dass sie zusammengehörten.
Mit einem Seufzen lehnte sie sich an ihn. Er murmelte leise, gab ihr Halt, umhüllte sie mit der Fülle seines Duftes, als er sie von hinten in die Arme schloss. Er zog ihren Rücken fest an seine Brust. Sein Kinn strich kurz über ihr Haar, dann küsste er ihren Kopf.
So süß. So sanft. So verdammt heiß.
Sogar noch in ihrer Unsicherheit sehnte sie sich nach der tröstenden Nähe seines Körpers. Sie murmelte seinen Namen, schlang die Arme um die seinen und erwiderte die Umarmung, ohne darauf zu achten, dass sich die Waffe in ihren Rücken drückte.
»Danke«, sagte sie.
»Wofür?«
»Dass du mir vorhin so geholfen hast.« Sie drehte sich in seinen Armen und sah über ihre Schulter, sodass er den Kopf heben musste. Als Rikar ihren Blick erwiderte, fragte sie: »Lothair will mich umbringen, oder?«
»Das werde ich nicht zulassen.«
»Ich weiß.«
Und es stimmte. Sie wusste es. Rikar würde sie mit seinem Leben beschützen. Was ihr mehr Angst einjagte, als ihr gefiel. Solange es um sie ging, wäre er in Gefahr. Sie verstand das Spiel. Wusste, was bevorstand. Die Drachen kämpften nicht nach festgelegten Regeln oder gaben vor der Tür die Waffen ab. Sie lebten in einer Welt des Krieges, in der der Tod das höchste Opfer war, und es war nicht die ihre. Und trotzdem konnte sie nicht davon lassen. Konnte sich nicht zurückziehen und abwarten, dass Rikar die Sache erledigte, auch wenn Angela erkannte, dass sie genau das tun sollte.
Sie wollte Lothair tot sehen. So tot, wie man mit einer Kugel im Kopf nur sein konnte.
Und sie musste diejenige sein, die den Abzug drückte. Die Razorback-Ratte erledigte, bevor er noch mehr Frauen etwas antat. Denn es würde mehr geben. Darauf würde sie wetten. Sadisten wie Lothair machte so etwas heiß … diejenigen zu quälen, die schwächer waren als er.
Sie erzitterte, trauerte um das, was sie unter seinen Händen verloren hatte. Weniger als zwölf Stunden. Himmel. Sie war nicht einmal einen Tag eingesperrt gewesen und … verdammt, was hatte dieser Hurensohn ihr angetan! In kaum einer halben Stunde hatte er ihr allen Stolz genommen
Weitere Kostenlose Bücher