Verborgene Sehnsucht
das Lüftungssystem rausgeklettert.«
»Schlau«, sagte sein Freund und stieß sich von der Computerkonsole ab. Der Klang seiner schweren Stiefel tönte dumpf, als er auf Lothair zukam. Sein Schritt war langsam und wohl abgemessen. Und verhieß Gefahr. Lothair spannte die Muskeln an, wappnete sich gegen den Angriff, wollte nicht zurückschlagen, denn er wusste, er hatte die Prügel verdient. Aber als sein Freund vor ihm stehen blieb, setzte er nicht zum Schlag an. Stattdessen streckte er den Arm aus und berührte sanft Lothairs Kinn. Ivar beugte sich vor, bis er mit der Nase fast an die Klammerpflaster stieß. »Das ist ein hässlicher Schnitt. Bist du okay?«
Die Frage bezog sich nicht auf seine körperliche Verletzung. Die Frage bezog sich auf seinen Kopf und dessen Inhalt. Ivar war nicht dumm. Er wusste genau, was für einen Krieger er zu seinem Stellvertreter gemacht hatte.
» Nyet «, knurrte er und schüttelte Ivars Hand ab. »Ich bin verdammt noch mal nicht okay. «
»Rachegelüste?«
»Was glaubst du denn?«
»Dann hol sie dir morgen Nacht zurück und …« Ivar verstummte, als Lothair fluchte. Seine Augen hinter der Oakley glühten pink auf, als er Lothairs Reaktion richtig interpretierte. »Gottverdammt, Lothair. Sag mir nicht, dass Bastian …«
»Sein böser Zwilling … Rikar.«
Als er den Namen aussprach, erfüllte ein saurer Geschmack s einen Mund. Es war gleich auf mehreren Ebenen eine Schan de. Nicht nur musste er zugeben, dass er mit leeren Händen nach Hause zurückgekehrt war, sondern auch noch, dass der Bastard ihm überlegen gewesen war. Mit einem Knurren schluckte Lothair den Namen hinunter wie einen Mundvoll Mottenkugeln. Unfähig stillzuhalten, ließ er die Schultern kreisen, um Frustration abzubauen. Als das nicht half, begann er, vor der Wand des Vorzimmers auf- und abzugehen.
Als er umdrehte und zurücklief, wurde das Geräusch seiner Schritte von den glatten Wänden zurückgeworfen. Nur wenige Zentimeter entfernt lief er an Ivar vorbei, dann blieb er vor der Computerkonsole stehen. Die Monitore hatten sich ausgeschaltet, und der Touchscreen, der die »Wohnung« steuerte, war schwarz. Einen Moment lang starrte er sein Spiegelbild an, ohne sich wirklich zu sehen. »Ich hasse dieses Arschloch.«
»Verfickte Eisprinzessin«, fauchte sein Freund und bedachte Rikar mit seiner gewohnten Verunglimpfung. »Also haben wir nur noch zwei.«
Jep. Zwei hochenergetische Frauen. Vier weniger als Ivar vor der nächsten Meridianausrichtung im Frühjahr haben wollte – haben musste. Die Ausrichtung der elektrostatischen Strömung erfolgte zweimal im Jahr, und nur zu dieser Zeit waren die Drachenkrieger fruchtbar. Was für ein Glück. Seine Gene waren eine verdammte Naturkatastrophe und kämpften mit der Macht eines Hurrikans gegen ihn an.
Lothair lockerte die Fäuste und knackte mit den Knöcheln. »Ich besorge dir die anderen.«
»Und die Polizistin?«
»Ist nicht mehr im Programm.« Und auf ihrer Stirn prangte in riesigen Lettern das Wort ABGELEHNT .
»Lothair.« Ivars Tonfall war warnend. »Ihre Energie ist der Wahnsinn. Sie hat das Serum bekommen. Wir können es uns nicht leisten …«
»Was … sie zu verschwenden?« Die Stiefel seiner Sohlen quietschten, als er herumfuhr und den Krieger anstarrte, den er wie einen Bruder liebte. Jedes andere Mal zuvor hätte er nachgegeben, aber nicht heute. Oder morgen. Oder an irgendeinem darauffolgenden Tag. Er wollte Angela Keen leiden sehen, so einfach war das. Da gab es nichts zu verhandeln. »Bullshit. Es ist mir egal, wie selten eine Frau wie sie ist … oder wie stark ihre Energie. Wenn ich sie finde, ficke ich sie, während ich ihr den letzten Lebenstropfen aussauge.«
»Gottverdammt, Lothair.« Ivar zog sich die Monoglassonnenbrille vom Nasenrücken. Während er sich die Augen rieb, schüttelte er den Kopf und seufzte. »Okay, pass auf … ich habe kein Problem damit, dass du sie allemachst, aber wenn du sie tot sehen willst, musst du dafür bezahlen.«
»Was willst du?«
»Sieben«, sagte er. »Ich will nicht mehr sechs, sondern sieben Frauen in den nächsten zwei Monaten, damit sie vorbereitet werden können und so weit sind, wenn der Meridian sich ausrichtet.«
Schlau. Und schwierig. Lothair war es egal. Die kleine Polizistin umzubringen, war wichtiger. Wenn er sich den Arsch aufreißen musste, um innerhalb von acht Wochen fünf Frauen aufzuspüren, dann war es eben so. Er liebte die Herausforderung. »Abgemacht.«
Ivar schnaubte.
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