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Verborgene Sehnsucht

Verborgene Sehnsucht

Titel: Verborgene Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coreene Callahan
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sprach, begegneten ihrem Blick, und Angela wand sich innerlich. Sie hielt das Mitleid und die Gewissheit in Mysts Blick nicht aus. Beides machte es ihr schwer, sich zu verstecken: die Schultern zu straffen, ein tapferes Gesicht aufzusetzen und so zu tun, als sei alles in Ordnung.
    Sie versuchte es trotzdem und drehte den Spieß einfach um. »Hey … geht es dir gut?«
    »Das sollte ich eigentlich dich fragen.« Myst biss sich auf die Unterlippe, als hätte sie etwas Wichtiges zu sagen, wüsste aber nicht, wie sie es aussprechen sollte.
    Angela schluckte. Oh, oh, das war nicht gut. Sie wollte nicht über den Hafen sprechen. Über ihre Gefangennahme, den Fluchtversuch oder … was ihr danach widerfahren war. Das Thema stand nicht zur Diskussion. Myst war das wohl egal. Ihre Miene verriet alles. Darüber zu sprechen, war genau das, was sie tun wollte.
    »Hör zu, ich weiß, du willst mich wahrscheinlich gerade nicht sehen, aber …« Tränen stiegen Myst in die Augen, bis sie nicht mehr blau, sondern fast violett wirkten. »Ich muss es sagen und …«
    »Nicht«, flüsterte Angela.
    Myst hörte nicht darauf. »Es tut mir so leid … so wahnsinnig leid. Es ist mein Fehler. Wenn ich auf Bastian gehört hätte und nicht weggelaufen wäre …« Ihr Atem überschlug sich und unterbrach ihr hastiges Schuldgeständnis. »Himmel … die Explosion auf dem Revier, der Hafen … die ganze Sache wäre nicht passiert, und dir … dir ginge es gut. Du hättest das alles nicht d-durchmachen müssen.«
    Angela schloss die Augen. Sie konnte es nicht ertragen, nicht jetzt. Arbeit. Sie musste arbeiten, sich mit etwas ablenken, das sie gut konnte. Etwas, bei dem sie sich stark fühlte. Irgendetwas wie, na ja, sagen wir … Verbrecher austricksen und ins Gefängnis stecken. Aber Myst und ihr Angelika-Kalwass-Moment ruinierten ihren Plan, ließen Erinnerungen in ihr aufsteigen, die sie vergessen wollte.
    Bitte, lieber Gott. Könnte sie nicht einfach irgendjemand erschießen?
    »Es war nicht deine Schuld. Du hättest es nicht wissen können und …« Angela hielt inne, um sich zu sammeln, ihre Gedanken unter Kontrolle zu bringen, bevor sie zusammenbrach. Wenn sie anfing zu heulen, würde Myst es auch tun und dann … zur Hölle. Würden sie sich beide bis zum Ende des Tages Taschentücher reichen. »Ich bin in Ordnung, Myst, wirklich … es geht mir gut. Rikar hat mir sehr geholfen.«
    Okay, Letzteres hatte sie eigentlich nicht zugeben wollen. Aber, na ja … Mist. Einfach nur Mist. Es stimmte, Rikar hatte ihr geholfen. Half ihr noch immer: gab ihr das Gefühl von Sicherheit, unterstützte sie, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, bot ihr eine Chance auf Gerechtigkeit. Und Himmel, sie musste sich jetzt wirklich zusammenreißen. Sonst würde sie noch vergessen, dass sie eigentlich sauer auf ihn war.
    »Ich bin froh, das zu hören«, sagte Myst mit sanfter Stimme. »Aber wenn du jemals darüber reden …«
    »Das will ich nicht … zumindest eine ganze Weile nicht. Vielleicht nie.«
    »Ich verstehe. Aber …« Myst räusperte sich. »Das Angebot steht … ganz egal wann, okay?«
    Angela nickte, wandte den Blick ab und das Schweigen dehnte sich aus, bis sie sich fühlte wie ein lang gezogenes Gummiband kurz bevor man es schnalzen lässt. Kurz davor, die Flucht zu ergreifen, sich zu verstecken und nie wieder herauszukommen.
    Ihr Blick fiel auf das kleine blaue Deckenbündel neben Myst. Gott sei Dank. Eine Ablenkung. Sie brauchte eine. Wenn sie nicht bald an etwas anderes dachte, würde sie mit Sicherheit den Verstand verlieren. Aber das Baby wirkte wie ein Sonnenstrahl. Ein Geschenk im Angesicht der Tragödie.
    Unfähig, Abstand zu halten, näherte sie sich dem Bett. Als sie den ersten Blick auf ihn erhaschte, legte sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Ein kleines Puttengesicht. Süßer Engel. Er war wunderschön. Ein dunkler Haarstreifen lief über die Mitte seines Kopfes, und der kleine Kerl gab leise Geräusche von sich, während er sich an Mysts Finger festhielt. Angela schnaubte, aber es klang mehr nach Erstaunen als nach Belustigung. Himmel, war der klein und … selig. So perfekt, dass sie ein plötzliches Glücksgefühl überkam. Und in diesem Moment, als sie auf ihn herabsah – sich seine Züge einprägte, seine Zufriedenheit sah und erkannte, dass er in Sicherheit war, ließ der Schmerz in ihrer Brust ein wenig nach.
    Sie streckte die Hand aus und berührte das dunkle Haar, das seinen Kopf zierte. Mit einer überraschend plötzlichen

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