Verborgene Tränen (Windham-Reihe) (German Edition)
auf einem Ball wie diesem über den Weg zu laufen, hielt er für unwahrscheinlich.
Ein letztes Mal glättete er sein blondes Haar und nahm Haltung an. Mit geschlossenen Augen nahm er den Duft der Londoner Gesellschaft in sich auf. Den Geruch des Geldes, des Goldes und der Gier. Er lauschte den Lauten der in der Luft liegenden Erregung, dem Lachen erhitzter Frauen, die auf der Suche nach Befriedigung waren, und dem samtenen Flüstern der Männer, die ihnen diese versprachen. Dies war seine Welt, und er hatte sie vermisst. Mit aller Macht drängte er das Bild seiner Sirene in den Hintergrund und versuchte zu vergessen, dass sie allein es war, für die er brannte. Dann öffnete er die Augen.
Als er die Eine sah, wegen der er heute hierhergekommen war, sie tatsächlich in der bunten Menge ausmachen konnte, lächelte er und trat in den Ballsaal. Sogleich zog er die Blicke der in der Nähe stehenden Damen auf sich. Fächer wurden aufgeklappt, um zu verbergen, wie die Augen dahinter jeder seiner eleganten Bewegungen folgten. Oh ja, dies war seine Welt. Er grüßte, verneigte sich leicht vor einigen Herren, ehe er zielstrebig den Saal durchschritt.
Sie bemerkte ihn. Er sah, wie ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich, beobachtete, wie sie sich Hilfe suchend umsah, ehe sie ihm wieder mit angstgeweiteten Augen entgegenblickte. Sie rang um Fassung, und er spürte, wie ihn die altbekannte Erregung durchströmte.
Mit einer formvollendeten Verbeugung und einem Handkuss, der den Begleiterinnen seiner Auserwählten das Blut in die Wangen trieb, begrüßte er die zitternde Frau, ehe er sie, ohne ein einziges Wort zu sprechen, sogleich auf die Tanzfläche führte.
„Bonsoir, Madame“, murmelte er in ihr aufgestecktes Haar und zog sie deutlich näher an seinen gestählten Körper, als schicklich war.
„Was …? Ihr? ... Ihr seid zurück?“, hauchte sie und blickte sich verstohlen um. „Ich hatte nicht gedacht, Euch wiederzusehen.“
Er zeigte sein betörendes Lächeln.
„Das glaube ich nicht. Ihr müsst gewusst haben, dass ich zu Euch zurückkehren würde.“ Seine Zunge fuhr über ihren Hals, und sie versuchte, sich ihm zu entwinden, aber er führte sie in eine Drehung und zog sie stattdessen noch fester in seine Arme. „Vielleicht …“, murmelte er. „… vielleicht habt Ihr mich herbeigesehnt, meine Taube?“
„Nein! Das habe ich nicht! Wie könnt Ihr es wagen?“, fauchte sie und warf ihm einen bösen Blick zu. „Ich wünschte, Ihr wäret tot!“
„Nur weiter so, meine Liebe! Die Leute schauen schon“, neckte er sie und positionierte seine Hand gefährlich nahe an ihrem Hinterteil. „Diesen Wunsch kann ich Euch nicht erfüllen, aber wenn Ihr nicht wollt, dass jeder hier erfährt, welche Wünsche ich Euch bei unserem letzten Treffen erfüllte, dann solltet Ihr heute besser die meinen erfüllen.“
Wenn es überhaupt möglich war, hatten seine letzten Worte sie noch blasser werden lassen. Sie stolperte über ihre Füße und musste sich an ihn klammern, um nicht zu fallen.
„Bitte nicht! Tut mir das nicht an!“, flehte sie mit brüchiger Stimme. „Was wollt Ihr? Das Geld? Ich bezahle! Gleich morgen! Ich schwöre bei Gott, wenn Ihr verschwindet, bekommt Ihr, was Ihr wollt.“
Er lachte. Sein volles Lachen schallte durch den Saal, und einige der jüngeren Mädchen seufzten sehnsüchtig. Mit giftigen Blicken versuchten sie zu ergründen, warum der attraktivste Mann des Abends ausgerechnet mit einer alternden und zudem verheirateten Matrone tanzte.
„Meine Liebe, ich bekomme in jedem Fall, was ich will. Egal, ob ich bleibe oder verschwinde.“
Er wirbelte sie in die nächste Drehung, und, als sie wieder bei ihm war, zog er sie mit dem letzten Takt der Musik fest an seine unnachgiebige Brust.
„Gestattet, dass ich Euch zu Eurem Mann geleite, Lady Archer. Er sieht übrigens nicht gerade erfreut aus, wenn Ihr mich fragt. Was ihm wohl so viel Kummer macht?“, fragte er, und die Kälte in seiner Stimme strafte seinen unschuldigen Blick Lügen. „Ich erwarte das Geld morgen!“
Kapitel 8
Woodland House
W ar dies ein Traum? Dichter Nebel schlug über Dean zusammen, als er die Tür zum Badehaus hinter sich zuzog. Nein, die feuchte Hitze, der betörende Duft nach Rosen – das war real. Aber, wenn es kein Traum war, was hatte er dann eben gesehen? War dies die Wirklichkeit, oder spielte ihm sein whiskyumnebeltes Gehirn einen Streich? Whiskyumnebelt? Er hatte nur zwei Gläser getrunken. Bei
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