Verborgene Tränen (Windham-Reihe) (German Edition)
den Stall und bewunderte sein Geschick im Umgang mit dem Tier. Im goldenen Licht der untergehenden Sonne, welches durch das Tor hereinfiel, sah Adrian für sie aus wie ein Gott. Sein goldenes Haar glänzte im Licht, und sein Lächeln machte sie sprachlos. Ohne Mühe verrichteten seine starken Hände ihre Arbeit, und immer wieder sah er sie verstohlen an.
Als er schließlich fertig war, setzte er sich zu ihr auf einen Holzbalken und zwinkerte ihr zu.
„Mylady, erlaubt Ihr, dass ich Euch zu Eurem Geburtstag etwas schenke?“
Amelie nickte, und sie verlor sich in seinem bewundernden Blick. Er reichte ihr eine Spieluhr, und als Amelie den Deckel öffnete und die kleine Tänzerin ihre Runden zur Musik drehte, zog er sie mit einer Verneigung auf die Füße und erbat einen Tanz.
Kichernd gewährte sie ihn und wusste sofort, dass sich so nur Liebe anfühlen konnte. Tagelang kam sie immer wieder zu Adrian in den Stall, tanzte mit ihm, lachte und genoss seine Bewunderung. Er war immer so charmant, bezauberte sie mit seinen Gedichten und betörte sie. Er schwor ihr ewige Liebe und verfluchte den Umstand, ihres Standes nicht würdig zu sein.
Amelie hatte das nie etwas ausgemacht. Die Aufmerksamkeit eines so attraktiven Mannes und seine tiefen Gefühle für sie überwanden auf dem Weg in ihr Vertrauen mühelos jede Konvention, und so zögerte sie auch nicht, als er ihr eines Abends, nach einem gemeinsamen Ausritt, im Stall einen zarten Kuss gab.
Dass dies das schmerzvolle Ende ihrer Liebe darstellen sollte, hatte Amelie selbst da nicht erkannt, als ihr Vater Adrian wutentbrannt niederschlug. Er kündigte ihm die Anstellung und drohte ihn zu töten, falls er es je wieder wagen sollte, seinen Grund und Boden zu betreten oder seiner Tochter zu nahe zu kommen. Von da an hatte der Earl of Lindale Amelie nur noch unter der strengen Obhut einer Anstandsdame außer Haus gelassen und sich sogleich bemüht, einen passenden Ehemann für seine Tochter zu finden. Als er meinte, in Lord Ansley einen passenden Kandidaten gefunden zu haben, hatte er angefangen, Amelie für die Ballsaison in London vorzubereiten.
Nie wieder hatte sie Adrian seither gesehen, aber sich beinahe jede Nacht ihres Lebens mit der Musik der Spieluhr im Ohr in den Schlaf geweint.
Aber schon Deans erster Kuss hatte dazu geführt, dass ihr ihre Zuneigung zu Adrian farblos und blass erschien. Deans Kuss hatte sie erschüttert und atemlos gemacht. Wenn sie nun an Adrian dachte, der ihretwegen damals Arbeit und Zuhause verloren hatte, schämte sie sich furchtbar. Wie konnte sie so empfinden, wo ihr Ehemann sie doch verachtete? Wo der Mann, der die ersten zarten Gefühle in ihr geweckt hatte, sicher in seinem Kummer verging? Wie konnte sie da nur so schamlos sein und die stürmischen Berührungen von Dean herbeisehnen?
„Amelie? Hör auf, so trübsinnig Löcher in die Luft zu starren“, rief Fiona sie in die Realität zurück. „Es gibt nur eine Möglichkeit. Wenn du auch nur einen Funken Zuneigung für deinen Gemahl empfindest, dann musst du versuchen, mit ihm glücklich zu werden! Und immerhin sieht er fantastisch aus!“
„Pah! Dean … er ist so … unberechenbar. Wie sollte ich mit so einem impulsiven Mann glücklich werden? Und mit Adrians Schönheit kann er sich nicht messen. Niemand könnte das!“
„Das ist doch Unsinn! Adrian kann vielleicht mit seinem Antlitz viele Frauen verführen, aber Dean sieht aus, als könne er dein Herz erobern, meine Liebe!“
Amelie schüttelte vehement den Kopf.
„Nehmen wir nur mal einen Moment an, ich würde gerne erobert werden, wie du sagst, dann scheint mein kriegerischer Mann die Strategie zu verfolgen, mich in diesen sicheren Mauern auszuhungern, während er sich vor den Toren mit Wein, Weib und Gesang auf den Angriff wappnet!“, regte sie sich auf, und Fiona lachte.
„Da magst du recht haben! Darum müssen wir uns eine Kriegslist überlegen, die ihn überrumpelt. Du musst zu ihm nach London und ihm zeigen, dass er dein Mann ist.“
„Ach, Fiona, wenn ich doch nur wüsste, was ich will.“
„Werde dir klar, was du willst! Denn, solange ihr die Ehe nicht vollzogen habt, besteht immer die Möglichkeit, sie annullieren zu lassen“, bemerkte Fiona.
„Oh nein, das würde ich nie tun! Diese Schande …“
„Du nicht, aber vielleicht dein unfreiwilliger Bräutigam.“
Kapitel 10
London
L ucinda Rochester schnaubte enttäuscht, als Dean direkt, nachdem er die Augen aufgeschlagen hatte,
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