Verbotene Begierde (German Edition)
gelaufen ist, gut und richtig gefunden hat.«
»Was hat er denn großartig für uns getan? Er hat unentwegt nach der Pfeife der Alten getanzt, die uns so viel Mutter war wie eine Eisbärin, die ihr fehlgebildetes Junges frisst. Ich könnte meine Kinder niemals so behandeln, wie sie mit dir umgesprungen ist und du weißt, dass es mir leidtut, dass ich es einfach hingenommen habe.« Sophie öffnete das Handschuhfach, griff ein Paket Papiertaschentücher und schnäuzte sich. »Er war schwach, sein Leben lang, ein Weichei und ein Spießer. Die Meinung der Nachbarn war wichtiger als die Familie.«
Vanessa presste die Finger stärker um das Lenkrad, hell stachen ihre Knöchel hervor. Sophie nannte die Wahrheit beim Namen, sprach aus, was sie hinuntergeschluckt hatte, aber sie hätte das Erbarmen aufgebracht, sich auf dem Sterbebett mit Vater zu versöhnen. Dazu gab es nie wieder eine Gelegenheit. Sie musste blinzeln, um die aufkommenden Tränen zu verdrängen.
»Sie ist es nicht wert«, zischte Sophie durch die Zähne.
»Was?«
»Dass wir Mitleid mit ihr haben.«
Im Augenwinkel erkannte sie, dass ihre Schwester sie anblickte.
»Oder worüber hast du gerade nachgegrübelt?«
»Ich dachte an Vater.« Vanessa forschte in ihren Gefühlen. »Du hast recht, unsere Mutter verdient es nicht und ich bin auch nicht bereit, ihr zu vergeben.« Eine Gänsehaut fuhr ihr über die Arme. »Ich weiß nicht einmal, ob ich ihr verzeihen würde, wenn ich ihr auf dem Sterbebett begegnete, aber ich glaube, bei ihm wäre das anders gewesen. Trotz allem.«
Sophie nickte. »Vielleicht.«
Sie versanken in Schweigen.
Beim gemeinsamen Frühstück war Vanessa zum wiederholten Male aufgefallen, dass Sophie ruhig, nahezu bedacht geworden war, nichts war ihr noch anzumerken von der früheren Oberflächlichkeit. In ihren Gesprächen wog sie ihre Einwände gut ab, sie hörte aufmerksam zu, gab sich Mühe, sich in die Probleme des Gesprächspartners einzufühlen und sie hatte ihre ständige Ichbezogenheit abgelegt.
Vanessa wusste, dass sie ein paar neue Freunde gefunden hatte, sich nicht wahllos auf Männerbekanntschaften einließ und liebevoll ihre Kinder umsorgte. Sie war froh, dass sie rechtzeitig zusammengefunden hatten, dass ihre Schwester es geschafft hatte, von der abrutschenden Bahn zu springen und wehrte jede Dankesbezeigung kategorisch ab, mit der Sophie sie überfiel, weil sie der Meinung war, das alles sei Vanessas Verdienst.
»Was stand in den ersten beiden Sätzen des Briefs?«
Vanessa fühlte sich überrumpelt, hatte nicht damit gerechnet, dass Sophie nachhaken würde, aber dann erinnerte sie sich an ihre Neugierde, ihre Art, nicht locker zu lassen, bis sie erfahren hatte, was sie wissen wollte. Sie grinste – daran hatte sich also nichts geändert.
Vanessa wägte den Gedanken ab, ob sie ihr die Wahrheit sagen sollte, suchte verzweifelt in den hintersten Ecken ihres Gehirns nach einer Ausrede, doch ihr fiel keine ein.
»Nun?« Sophies Stimme war drängend, unnachgiebig.
»Na gut, aber es ist nicht nett.«
»Was?«
»Mutter hat geschrieben …« Sie brachte das Wort ›Mama‹ nicht über die Lippen, »sie schrieb, sie wolle gern, dass ich an den Feiertagen zu Besuch käme.«
»Deshalb machst du dir Vorwürfe, dass du Vater noch mal hättest sehen können.«
Sie nickte.
»Es kann nichts darüber in dem Brief gestanden haben.«
»Warum nicht?« Vanessa warf Sophie einen Seitenblick zu, bevor sie sich wieder auf die Straße konzentrierte.
»Er war Weihnachten noch nicht krank. Ich habe mit Lory telefoniert, du weißt, eine Schulfreundin von mir. Sie ist mit Andy verheiratet, dem Sohn des Polizisten. Sie hat gesagt, es habe im Mai angefangen und sei ganz schnell gegangen, kaum drei Wochen. Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen, damit konnte niemand rechnen.«
Vanessa nahm eine Hand vom Lenkrad und griff nach Sophies Fingern. »Danke, dass du mir das erzählt hast.« Ungeheure Erleichterung erfasste sie. Sie hätte selbst auf den Gedanken kommen können, eine oder einen ihrer ehemaligen Bekannten im Dorf anzurufen, aber seitdem Julia fortgezogen war, mit der sie früher hin und wieder telefoniert hatte, hatte sie den direkten Draht in ihre alte Heimat verloren.
»Was stand noch in dem Brief? Was du mir bisher gesagt hast, kann kaum dazu geführt haben, dass du ihn zerrissen hast.«
Vanessa räusperte sich. »Etwas ziemlich Gemeines über Brian und mich. Ich möchte nicht drüber reden, okay?«
»Natürlich, kein
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