Verbotene Begierde (German Edition)
bisher nie den Weg zueinander gefunden hatten. Vanessa erschrak, als sich die Hand ihrer Schwester auf ihre Schulter legte. Sie drehte sich um.
»Danke«, hauchte Sophie. Tränen standen in ihren Augen.
Wortlos nahm Vanessa sie in die Arme. Minutenlang verharrten sie bewegungslos und ohne Worte. Die Zeit zum Reden würde später kommen.
*
Alec war verletzt. Bei seinem letzten Einsatz hatte er sich das Bein gequetscht und die Heilung hatte ungewöhnlich lang gedauert, was nur seiner seelischen Verfassung zuzuschreiben war. Er verfluchte den Zwang, dem er sich zu unterwerfen hatte, er hasste es, Regeln zu befolgen, die er für unsinnig erachtete. Er wusste es besser. Es wäre gut gegangen, doch die knallharten Vorschriften verboten es. Er hielt es nicht mehr aus, er wollte Lauren sehen, musste sie riechen, spüren, schmecken, sonst würde er zerbrechen. Das einzige Problem war, dass ihm nicht viel Zeit blieb.
Maximal zwölf Stunden. Sein nächster Einsatz stand bevor und er sollte zurück sein, ehe man sein Verschwinden bemerkte.
Als er das Gebäude verließ, verwandelte er sich in einen Falken, segelte mit ausgebreiteten Schwingen davon, und als er sein Ziel erreicht hatte, als seine Sinne sie spürten und er sie sah, ließ er sich auf einem Dachsims nieder und beobachtete sie.
*
Lauren stieß zischend einen Fluch aus. Der Henkel ihrer Kaffeetasse war abgebrochen, der restliche Inhalt hatte sich über ihren Schreibtisch ergossen und die Ausdrucke ihres Referats hoffnungslos durchweicht. Ihre Laune sank um weitere Grade, als sie feststellte, dass zwei Blätter fehlten, weil dem Drucker die Tinte ausgegangen war. Sie brauchte die Arbeit heute im Gruppengespräch an der Uni. Sie blickte auf die Uhr. Um neun begann der Kurs.
Missmutig beschloss sie, die beiden Seiten per Hand zu schreiben. Ihr Blick fiel aus dem Fenster. Ein dunkler Vogel auf einem Strommast in einiger Entfernung schien sie geradewegs zu beobachten. Wie gern hätte sie mit ihm getauscht, sich einfach in die Lüfte erhoben und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.
Lauren verließ das Haus und eilte zur Bushaltestelle. Im Freien empfing sie der Mai mit freundlichen Sonnenstrahlen, der Wind wehte lauwarm, doch einigermaßen kräftig. Besorgt betrachtete sie allerdings die grauschwarze Wolkenwand, die sich in der Ferne an dem ansonsten fast blauen Himmel abzeichnete. Sie hatte keinen Schirm dabei.
Die nächsten zwei Stunden sorgten dafür, ihre Laune weiter zu verdüstern. Die Kommilitonen zerpflückten ihren Text, sie geriet bei der Anwendung der gelernten mündlichen Argumentationstechniken ins Stottern und erntete einen tadelnden Blick des Profs. Als sie am Nachmittag das Gebäude verließ, goss es wie aus Eimern, genau, wie sie es befürchtet hatte.
Lauren hielt ihre Tasche über den Kopf und spurtete zur Haltestelle. Vollkommen aufgeweicht und durchnässt kam sie an der überdachten Haltestelle an und wischte sich die klebenden Strähnen aus dem Gesicht. Wenigstens war das Wasser nicht kalt. In einer anderen Situation hätte sie es toll gefunden, einfach nackt im Regen herumzutanzen …
Platschende Schritte näherten sich in schnellem Tempo. Lauren sah um die Ecke und beobachtete nicht ohne Schadenfreude, wie ein jüngerer Typ mit teils über den Kopf gezogenem T-Shirt, auf das Bushäuschen zugerannt kam. Das nutzte ihm unheimlich viel, amüsierte sie sich, denn der dünne Stoff war klatschnass und auch die blonden Haare, die darunter zum Vorschein kamen, als der Typ im schützenden Unterstand angekommen war und sein Oberteil zurechtzog.
»Hallo«, sagte er grinsend und versprühte eine gute Laune, die dem Wetter absolut nicht angemessen war.
»Hi«, gab Lauren zurück und warf einen Blick auf die nackten Waden des Mannes, von denen eine mit einer Mullbinde umwickelt war. Er trug eine Dreiviertelhose. Ohne den Wolkenbruch hätte das durchaus zu den Tagestemperaturen gepasst. Er schien wie sie nicht mit dem Regen gerechnet zu haben. Beim Laufen humpelte er ein wenig und jetzt färbte sich sein Verband rosa. Seine Verletzung musste aufgegangen sein.
»Dein Bein …« Sie nickte in Richtung seiner Wunde. »Scheint, als wäre heute auch nicht gerade dein Glückstag.«
Ihr Gegenüber grinste jungenhaft, bückte sich und presste die Handflächen auf seinen Muskel. »Das wird schon wieder, halb so schlimm.« Er sah sie an und etwas an seinem Ausdruck kam ihr merkwürdig vor.
»Was ist? Habe ich einen grünen Punkt
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