Verbotene Früchte im Frühling
stellte Daisy fest, dass sie über etwas Wichtiges einfach nicht mit ihrer Schwester reden konnte.
Es gab so vieles, das sie sagen wollte …
Dass nicht alles, was Matthew Swift gesagt und getan hatte, berechnet sein konnte. Er hätte darauf bestehen können, dass sie mit ihm zusammen zum Haus zurückritt, und hatte sie doch stattdessen ohne Widerrede an Llandrindon weitergereicht. Gern hätte sie auch gestanden, dass Swift sie geküsst hatte und dass es sich wunderbar angefühlt hatte. Und wie sehr sie das verwirrte.
Aber wenn Lillian in dieser Stimmung war, konnte man nicht mit ihr reden. Es würde zu nichts führen.
Stille breitete sich aus.
„Nun?“, fragte Lillian. „Was wirst du jetzt tun?“
Daisy stand auf und rieb sich etwas Schmutz vom Arm. „Für den Anfang werde ich wohl ein Bad nehmen.“
„Du weißt, was ich meine!“
„Was soll ich deiner Meinung nach tun?“, fragte Daisy so höflich, dass Lillian die Stirn runzelte.
„Sag Matthew Swift, dass er eine widerwärtige Kröte ist und dass du ihn niemals im Leben heiraten wirst!“
8. KAPITEL
„Dann ist Daisy gegangen“, berichtete Lillian gereizt, „ohne mir zu sagen, was sie denn nun tatsächlich tun würde oder was sie wirklich dachte, und verdammt, ich weiß genau, dass sie einige Dinge weggelassen hat …“
„Liebes“, wurde sie von Annabelle unterbrochen, „bist du sicher, dass du ihr eine Gelegenheit gegeben hast, dir alles zu erzählen?“
„Was meinst du damit? Ich habe direkt vor ihr gesessen. Ich war bei Bewusstsein, und ich habe zwei Ohren.
Welche Gelegenheit braucht sie denn noch?“
Ruhelos und unfähig zu schlafen, hatte Lillian festgestellt, dass auch Annabelle wach war, nachdem das Baby sie zuvor aufgeweckt hatte. Sie hatten einander von den Baikonen ihrer Zimmer aus gesehen und sich dann unten getroffen. Es war mitten in der Nacht. Auf Annabelles Vorschlag hin spazierten sie durch die Marsden Galerie, einen langen, rechteckigen Raum mit Familienporträts und kostbaren Kunstwerken. In ihren Hausmänteln schlenderten sie an den Wänden entlang und hatten einander untergehakt. Lillians langsame Gangart bestimmte das Tempo.
Während ihrer Schwangerschaft hatte Lillian sich immer häufiger an Annabelle gewandt. Annabelle verstand, was sie durchmachte, hatte sie es doch selbst erst vor Kurzem erlebt. Und Annabelles Gegenwart hatte etwas Beruhigendes an sich.
„Ich meinte“, sagte Annabelle jetzt, „dass du so sehr damit beschäftigt warst, Daisy zu sagen, was du fühlst, dass du vergessen hast, sie zu fragen, was sie empfindet.“
„Aber ich … aber sie …“, begann Lillian empört, hielt dann aber inne und überlegte. „Du hast recht“, räumte sie widerstrebend ein. „Ich habe sie nicht gefragt. Ich war so entsetzt bei der Vorstellung, dass Daisy sich zu Matthew Swift hingezogen fühlen könnte, dass ich wohl wirklich nicht darüber sprechen wollte. Ich wollte ihr einfach sagen, was sie zu tun hat, und das war’s.“
Am Ende der Galerie machten sie kehrt und gingen an einer Reihe von Landschaftsbildern vorbei. „Meinst du, es ist zu Intimitäten zwischen ihnen gekommen?“, fragte Annabelle. Als sie Lillians entsetzte Miene sah, fügte sie hinzu: „Ich meine, einen Kuss. Eine Umarmung …“
„O weh!“ Lillian schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Daisy ist so unschuldig. Es wäre leicht für diese Schlange, sie zu verführen.“
„Meiner Meinung nach ist er ganz bezaubert von ihr. Welcher junge Mann wäre das nicht? Sie ist so reizend, so hübsch und so klug …“
„Und reich“, fügte Lillian finster hinzu.
Annabelle lächelte. „Reichtum schadet nichts“, räumte sie ein. „Aber in diesem Fall ist es mehr als nur das.“
„Wie kannst du da so sicher sein?“
„Liebes, das ist nicht zu übersehen. Du hast selbst bemerkt, wie sie einander ansehen. Es liegt einfach … in der Luft.“
Lillian runzelte die Stirn. „Können wir uns einen Moment setzen? Mein Rücken schmerzt.“
Sofort half Annabelle ihr, sich auf eine der gepolsterten Bänke in der Mitte des Raums niederzulassen. „Ich glaube nicht, dass es noch lange dauert, bis das Baby kommt“, meinte sie. „Ich würde mich sogar dazu hinreißen lassen zu sagen, dass es deutlich früher kommen wird, als der Arzt gesagt hat.“
„Das wäre ein Glück. Ich wünsche mir nichts so sehr, wie nicht mehr schwanger zu sein.“ Lillian zeigte umständlich, wie schwer es ihr fiel, ihre Fußspitzen zu betrachten. Dann
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