Verbotene Früchte im Frühling
Seine Erleichterung war grenzenlos. Nie zuvor hatte er einen Menschen in so überwältigendem Maße geliebt, und niemals hatte er erwartet, dass Lillian so schnell die Quelle all seines Glücks werden würde. Stets würde er alles in seiner Macht Stehende für Lillian tun. Und in Anbetracht der Sorge seiner Gemahlin um ihre Schwester hatte Marcus beschlossen, in Bezug auf Matthew Swift zu einer endgültigen Entscheidung zu gelangen.
Als sie sich mit Abgesandten der Great Western Railway trafen, dem Hafenmeister und verschiedenen Beratern und Beisitzern, war Marcus von der Art und Weise, wie Swift sich darstellte, außerordentlich beeindruckt. Bisher hatte er ihn nur zusammen mit den gut betuchten Gästen auf Stony Cross gesehen, aber es wurde schnell offensichtlich, dass er sich mühelos auf die verschiedensten Arten von Menschen einstellen konnte, von älteren Aristokraten bis zu grobschlächtigen jungen Hafenarbeitern. Wenn es daran ging zu verhandeln, so war Swift entschieden, aber niemals unhöflich. Er war ruhig, verlässlich und vernünftig, doch besaß er auch einen trockenen Humor, den er hin und wieder geschickt einzusetzen verstand.
In der Art, wie Swift zu seinen Ansichten stand, und in seiner Zähigkeit erkannte Marcus den Einfluss von Thomas Bowman. Aber anders als Bowman verfügte Swift über natürlichen Charme und ein Selbstvertrauen, auf das die Menschen instinktiv reagierten. Swift wird sich in Bristol durchsetzen, dachte Marcus. Die Stadt war der richtige Ort für einen ehrgeizigen jungen Mann und bot ihm mindestens genauso viele – wenn nicht mehr – Möglichkeiten wie London.
Ob Matthew Swift allerdings zu Daisy passen würde – nun, das war eine zweischneidige Angelegenheit. In derlei Angelegenheiten traf Marcus nur außerordentlich ungern eine Entscheidung, hatte er doch früher schon erfahren müssen, dass er hier nicht unfehlbar war. Ein Beispiel dafür etwa war sein anfänglicher Widerstand gegen die Verbindung zwischen Annabelle und Simon Hunt. Doch es war unumgänglich, eine Entscheidung zu treffen. Daisy verdiente einen Gemahl, der freundlich und liebevoll mit ihr umging.
Nach einer Sitzung mit Vertretern der Eisenbahnlinien gingen Marcus und Swift durch die Corn Street, vorüber an einem überdachten Marktplatz, auf dem Stände Früchte und Gemüse feilboten. Erst kürzlich war der Bürgersteig erhöht worden, um den Fußgängern Schutz vor Schlammspritzern und Straßendreck zu bieten. Uberall war die Straße gesäumt von Läden, die verschiedene Waren anboten, wie etwa Bücher, Toilettenartikel und Glasfiguren, die aus dem Sandstein der Gegend hergestellt worden waren.
Vor einer Taverne blieben die beiden stehen und gingen hinein, um ein einfaches Mahl zu sich zu nehmen. Der Gastraum war voll mit Männern verschiedenster Herkunft, von reichen Kaufleuten bis zu gewöhnlichen Hafenarbeitern.
Marcus, der sich in der rauen Atmosphäre etwas entspannte, hob einen Krug mit dunklem Bier aus Bristol an seine Lippen. Es schmeckte kalt und bitter, lief schäumend seine Kehle hinunter und hinterließ einen milden Nachgeschmack.
Während er noch über verschiedene Möglichkeiten nachdachte, wie er die Sprache auf Daisy bringen könnte, überraschte ihn Swift mit einer direkten Erklärung. „Mylord, es gibt etwas, über das ich gern mit Ihnen reden möchte.“
Sofort setzte Marcus eine gleichermaßen erfreute wie ermutigende Miene auf. „Natürlich.“
„Es hat sich gezeigt, dass Miss Bowman und ich zu einer … Übereinkunft gekommen sind. Nachdem wir die logischen Vorteile für beide Teile erörtert haben, bin ich zu dem ebenso vernünftigen wie praktischen Schluss gekommen, dass wir …
„Wie lange sind Sie schon in Daisy verliebt?“, unterbrach ihn Marcus belustigt.
Swift stieß einen langen Seufzer aus. „Seit Jahren“, gab er zu. Er fuhr sich durch das dichte kurze Haar, sodass es vollkommen zerzaust aussah. „Aber erst vor Kurzem ist es mir wirklich klar geworden.“
„Erwidert meine Schwägerin Ihre Gefühle?“
„Ich glaube …“ Swift brach ab und trank einen großen Schluck Bier. Er wirkte sehr jung und sehr bedrückt, als er zugab: „Ich weiß es nicht. Ich hoffe, mit der Zeit … o verdammt.“
„Meiner Meinung nach dürfte es nicht allzu schwierig für Sie sein, Daisys Zuneigung zu gewinnen“, sagte Marcus mitfühlender, als er es eigentlich vorgehabt hatte. „Nach allem, was ich beobachtet habe, ist es für beide Seiten eine gute
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