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Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Titel: Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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gewonnen hatte und den Triumph genoss. „Ich dachte, Sie würden es gerne wissen wollen.“
    „Elender Mistkerl!“
    Er tippte sich lächelnd an eine imaginäre Hutkrempe. „Stets zu Diensten.“

 
44. KAPITEL
    Lily erwachte durch Vogelgesang. Sanft und süß lockte er sie aus tiefem Schlaf in einen neuen Tag. Sie öffnete die Augen. Doch am schwachen Licht erkannte sie, dass es noch früh war, gerade Morgengrauen.
    Sie schlug die Decke zurück und stieg mühsam aus dem Bett. Sie ging auf den kleinen Balkon hinaus, der zum Innenhof des Gebäudes lag, um sich lächelnd Gottes Werk anzusehen.
    Das Licht- und Schattenspiel auf dem Hof erinnerte sie an ihre Kindheit, obwohl sie sich nicht ganz klar war, warum. Erinnerungen an die Morgen ihrer Vergangenheit kehrten zurück und mit ihnen die sinnlichen Empfindungen: der Geruch sauberer, süßer Luft, das Gefühl von Morgentau auf den Zehen, der verlockende Duft von brutzelndem Speck, die Wärme der Sonne auf ihrem Gesicht, wenn sie es zum Himmel hielt.
    Lily lauschte mit schief gelegtem Kopf. Die Vögel sangen, und es klang wie ein Engelschor.
    Die Kälte überfiel sie so plötzlich, dass sie dachte, es sei Januar anstatt Juni und die Kälte käme von außen anstatt von innen.
    Aber nein, ihr war kalt bis ins Mark. Sie rieb sich die Arme. Sie waren feucht, als hätte sie in der Mittagshitze im Garten gearbeitet.
    Die Vögel sangen.
    Und ich sterbe.
    Lily konnte nicht sagen, woher sie es wusste, aber es war ihr vollkommen klar.
    Sie ließ den Blick über den Innenhof schweifen, um die Vögel zu suchen, und fand Frieden in dem Gedanken, dass sie sie hören, aber nicht sehen konnte. Vielleicht nahm Er sie schließlich zu sich. Vielleicht hatte Er ihr ihre Sünden vergeben. Ihre vielen, vielen Sünden.
    Lily wandte sich vom neuen Tag ab und verließ ihr Schlafzimmer, ohne sich Slipper oder Morgenrock überzuziehen. Santos war auf. Sie roch Kaffee und hörte das Knistern von Zeitungsseiten, die umgeblättert wurden. Santos schlief nie tief oder lange. Seine Dämonen raubten ihm das Vergnügen tiefen, traumlosen Schlafes.
    Lily bewegte sich langsam auf die Küche zu. Die Kälte war unerträglich. Sie wünschte, Santos fände jemand, den er lieben konnte, eine Gefährtin, eine Lebenspartnerin. Sie wünschte ihm eine Frau, die ihn so sehr und bedingungslos liebte, dass er nie mehr einsam war.
    Sie hatte zu lange Jahre unter Einsamkeit gelitten. Das Leben war, das merkte sie jetzt, zu kurz. Man musste es mit beiden Händen anpacken, genießen und auskosten.
    Lily fand Santos in der Küche, den Kaffeebecher vor sich, den Kopf über die Zeitung gebeugt. Santos war ein starker, gut aussehender Mann mit einem guten Herzen. Sein Anblick erfüllte sie mit so viel Liebe und Stolz, dass sie für einen Moment die Kälte nicht spürte. Er gehörte nicht ihr, sie war nicht seine Mutter und hatte ihn nicht auf die Welt gebracht. Trotzdem empfand sie ihn als ihren Sohn. Sie hätte nicht stolzer auf ihn sein und ihn nicht mehr lieben können, wenn sie ihn selbst geboren, in den Armen gehalten und gestillt hätte.
    Sie würde seine Mutter aufsuchen, wenn sie einmal am Ziel angelangt war, und ihr von ihm berichten. Allerdings vermutete sie, dass sie bereits alles wusste. „Santos?“
    Er hob lächelnd den Blick. „Guten Morgen, du bist früh auf.“
    „Du musst etwas für mich tun. Ich muss dir einiges erzählen.“
    Er betrachtete sie stirnrunzelnd, als spüre er plötzlich, dass etwas nicht in Ordnung war. „Lily … fühlst du dich gut?“
    Ihr linker Arm wurde taub. Ein beunruhigendes Gefühl, das ihr ein wenig den inneren Frieden raubte. Sie atmete tief und zwang sich zur Konzentration. „Ich muss dir das jetzt … erzählen, falls es … später nicht mehr geht.“
    Santos eilte alarmiert auf sie zu, berührte ihren Arm und wich wieder zurück. „Ich rufe die 911.“
    „Warte!“ Sie ergriff seine Hand. Ihre Schultern wurden steif. „Santos … ich möchte, dass du Hope rufst. Ich muss sie sehen, ehe … ich muss sie sehen, ehe ich …“ Der Schmerz traf sie wie ein Tritt in die Brust. Sie klammerte sich an Santos’ Hand, an seine Lebenskraft. „Versprich mir, dass … du das tust. Versprich mir … sie zu rufen.“
    Er versprach es, lief zum Telefon und wählte die 911. Gleich darauf nahm er Lily auf die Arme und trug sie durchs Treppenhaus hinunter zum Haupteingang, wo er auf die Ambulanz wartete.
    Lily betrachtete liebevoll sein Gesicht und ließ sich von seiner

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