Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
längst vorbei.
Es schmerzte ihn, das Foto zu betrachten. Er drehte sich mit seinem Sessel weg und blickte durch das Fenster hinter seinem Schreibtisch in den absterbenden Garten.
Ich liebe meine Frau nicht mehr. Schon lange nicht mehr.
Trotzdem hatte sie Macht über ihn, eine Macht, der er sich nicht entziehen konnte.
Philip presste die Handballen auf die Augen und ließ die Hände in den Schoß fallen. Angewidert lehnte er den Kopf auf die Sessellehne. Ihre Macht über ihn hatte nichts mit Vertrauen, Liebe, Familie oder gar Respekt zu tun. Es war viel primitiver – rein sexuell. Es war diese verzehrende Lust eines Halbwüchsigen, die er nicht überwinden konnte, der er nicht entwuchs.
Er hatte es versucht. Er hatte mit anderen Frauen geschlafen, sogar eine Affäre gehabt. Nicht weil er von seiner Frau und ihrem Sexualleben gelangweilt gewesen wäre. Im Gegenteil. Er hatte gehofft, andere Frauen könnten ihn von den sexuellen Fesseln befreien, die Hope ihm anlegte.
Doch seine Eskapaden hatten das Verlangen nach Hope nicht gelöscht, sondern es nur noch angefacht und ihn sehnsüchtiger gemacht nach den Wonnen, die sie ihm bot.
Philip ballte die Hände zu Fäusten. Großer Gott, sogar Hopes widerwärtige Misshandlungen ihrer Tochter hatten sein Verlangen nach ihr nicht abgetötet – allerdings jedes Gefühl von Liebe.
Und meine Selbstachtung.
Wenn es um seine Frau ging, war er kein Mann, sondern ein unfähiger Schwächling. Wegen seiner Unfähigkeit, sich aus der sexuellen Hörigkeit zu lösen, hatte er nicht nur seine Selbstachtung, sondern auch den Respekt und die Liebe seiner Tochter verloren.
Glory. Philip presste noch einmal die Handballen auf die Augen und wünschte, der bitteren Wahrheit zu entrinnen. Er liebte seine Tochter über alles. Er sehnte sich danach, ihre innige Beziehung von früher wieder aufleben zu lassen, sehnte sich nach ihrem anbetenden Blick.
Doch auch diese Zeiten waren längst vorbei. Heute tolerierte Glory lediglich seine Gegenwart. Sie sah ihn kaum noch an, und wenn, dann mit Zorn und, wie er glaubte, Mitleid.
Auch sie weiß, dass ich kein Mann bin.
Philip stand auf und durchquerte den Raum aus reinem Bewegungsdrang. Er blieb an der offenen Tür stehen, drehte sich um und kehrte zum Schreibtisch zurück. Wieder betrachtete er die blank polierte Platte, auf der nichts lag. In all dem Kummer hatte er wenigstens immer noch das St. Charles zu seinem Trost gehabt. Es gehörte ihm und war ein Ort, in dem er sich verlieren, wo er sein Versagen vergessen konnte. Das Hotel war sein Erfolg, auf den er stolz sein durfte.
Und nun lief er Gefahr, auch das St. Charles zu verlieren.
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und merkte, dass sie zitterte. Leise fluchend straffte er sich, zornig mit sich selbst. Die Klemme, in der er steckte, war selbst verschuldet. Er konnte weder Hope noch sonst wem einen Vorwurf machen. Er hatte die wichtigen Ratschläge seines Vaters ignoriert, sich nie über Gebühr zu verausgaben, nie auf Kredite zu bauen, nur vorsichtig zu investieren und das Privatvermögen nicht anzugreifen.
Als er mit der Renovierung des St. Charles begonnen hatte, erlebte New Orleans gerade eine Art Renaissance, einen nie gekannten finanziellen Boom. Die Öl- und Gasindustrie blühte, die Ölpreise hatten einen Höchststand erreicht, und es wurde immer mehr gefördert. Die Weltausstellung stand bevor und versprach eine Touristenflut aus der ganzen Welt.
Alle hatten verdient, viel Geld sogar. Der Champagnerlunch am Mittag war zur Norm geworden. Alles, was sich zu tun lohnte, war bis zum Exzess getrieben worden.
Damals war das Investieren von einer halben Million Dollar in die Renovierung und Modernisierung eines Hotels einfach und risikolos erschienen.
Außerdem war es notwendig geworden. Der Konkurrenzdruck war groß gewesen. Mit der bevorstehenden Weltausstellung waren neue Hotels wie Pilze aus dem Boden geschossen – das Sugar House, Le Meridian und das Intercontinental waren nur einige. Alle waren luxuriös und elegant und konnten den Gästen bieten, was das St. Charles nicht hatte: Modernität und einen Standort im Zentrum der Aktivitäten um die Weltausstellung und des French Quarter. Er hatte konkurrieren müssen, sonst wäre er untergegangen.
Einige hatten ihn gewarnt, doch die warnenden Stimmen, die seines Vaters eingeschlossen, waren in der Minderheit gewesen. Mehr als ein Dutzend Geldgeber hatten ihm begierig Darlehen gewährt.
Er hatte es sich ausgerechnet – er
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