Verbotene Gefühle - prickelnd wie Champagner
mir die ganze Sache auszureden. Wie übrigens auch mein Va…“, sie stockte und fuhr dann fort, „wie Walter.“
Melissa strich ihr tröstend über die Hand. „Das ist alles sehr verwirrend, was?“
„Ja, irgendwie schon.“
„Dennoch, auch wenn mein Vater dich gezeugt hat, so ist es doch Walter, der dich aufgezogen hat“, sagte Melissa leise.
„Ich weiß, es ist nur …“ Wie sollte sie etwas erklären, das ihr selbst noch unklar war? Wie mit dem Schuldgefühl zu leben, dass sie sich von dem Mann abgewandt hatte, bei dem sie aufgewachsen war? Selbst wenn sie nie den Eindruck gehabt hatte, dass er sie liebte.
„Dann seid ihr euch sehr nah gewesen, Walter und du?“
„Nein.“ Auch wenn sie es sich immer gewünscht hatte. „Und wie ist es mit dir und deinem Dad gewesen?“
„Eigentlich auch nicht.“ Melissa seufzte leise. „Als meine Mutter starb, war ich erst zwei. Und mein Vater wusste nicht recht, was er mit mir anfangen sollte. So tat er eben gar nichts. Ich weiß, das hört sich beinahe kitschig an: das arme kleine reiche Mädchen. Aber eins ist sicher, Erica. Du kannst von Glück reden, dass du nicht hier aufgewachsen bist.“
„Immerhin hast du hier deine Kindheit verbringen können. In dieser wunderschönen Umgebung.“
„Auch ein goldener Käfig ist immer noch ein Käfig.“ Melissa senkte den Blick, als wolle sie Erica nicht zeigen, was in ihr vorging. Und Erica war unsicher, wie sie sie trösten sollte und ob Melissa für Mitgefühl überhaupt empfänglich war. Aus eigener Erfahrung wusste sie, dass das bei alten Wunden oft nicht half, im Gegenteil. Also schwieg sie und wartete, bis Melissa sich wieder gefangen hatte. Glücklicherweise dauerte das nicht allzu lange.
Die Schwester hob den blonden Kopf. „Aber das sind alles alte Geschichten. Es wird Zeit, dass wir nach vorn blicken. Also, wie wäre es, wenn wir uns gemeinsam an die Gestaltung einer neuen Angebotsbroschüre für das Wellness-Center machen?“ Sie nahm einen Prospekt hoch und betrachtete ihn missmutig. „Dieser ist so wahnsinnig öde. Ich stelle mir etwas Witziges und Spritziges vor, was den Gästen Lust macht, das Spa aufzusuchen. Außerdem müssen noch die Yogaklassen in das Angebot aufgenommen werden. Ich bin nämlich Yogalehrerin. Machst du Yoga?“
Melissa plapperte so fröhlich drauflos, dass Erica lachen musste. Es tat gut, nicht mehr über ihre traurigen Familiengeschichten sprechen zu müssen. „Yoga? Nein. Ich bin nicht so gelenkig. Aber ich habe große Lust, eine neue Broschüre mit dir zu entwerfen. Sofern mir die Vorbereitungen für die Food and Wine Gala Zeit dazu lassen.“
„Ach ja, daran habe ich gar nicht gedacht.“ Melissa war enttäuscht. „Aber sowie du das im Griff hast, kümmern wir uns um meine Sache, ja?“
„Sehr gern.“
„Gut, das wäre dann klar.“ Melissa hob ihr Glas und prostete Erica zu. „Auf uns! Nicht nur Schwestern, sondern auch Freundinnen!“
Erica stieß mit ihr an. „Auf uns!“ Wenn die Begegnung mit den Brüdern nur halb so angenehm ablaufen würde, wäre sie, Erica, mehr als erleichtert.
6. KAPITEL
Tief in Gedanken versunken betrat Gavin am nächsten Morgen das Hotel, um das erste Mal mit seiner neuen Schwester Erica Prentice in Christians Büro zusammenzutreffen.
Schwester?
Wieso eigentlich? Sie war eine Fremde, die mehr oder weniger zufällig ein paar Jarrod-Gene abbekommen hatte. Zwar wusste er, dass auch ihr aufgrund des Testaments des Vaters keine andere Wahl geblieben war. Aber deshalb musste er noch lange nicht akzeptieren, dass sie sich hier breitmachte. Auch wenn er selbst alles andere als glücklich war, dass der Alte ihn hierherzitiert hatte. Aber das hatte seine Gründe. Dieses Haus weckte viele Erinnerungen in ihm, gute wie schlechte. Wahrscheinlich amüsierte sich der Vater jetzt, wo auch immer er war, darüber, dass sich seine Kinder mit dem Testament herumschlagen mussten.
„Typisch für ihn“, murmelte Gavin vor sich hin, während er die Lobby durchquerte, in der auch schon um diese Tageszeit fröhliches Stimmengewirr zu hören war. Als er den langen Flur betrat, der zu Christians Büro führte, hatte er Mühe, seinen Zorn darüber zu unterdrücken, dass er wieder hier war. Er hatte sich fern vom Jarrod Ridge sein eigenes Leben aufgebaut, und das hatte der Vater genau gewusst. Offenbar hatte es ihm großes Vergnügen bereitet, die Pläne seiner Kinder zu durchkreuzen. Und das war dem Alten weiß Gott gelungen! Wütend biss Gavin die
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