Verbotene Nacht (German Edition)
etwas zu essen. Sie wünschte, sie wäre früher aufgewacht. Wäre sie um sechs Uhr aufgewacht, hätte sie sich noch unbemerkt in die Küche stehlen können.
Ausgerechnet heute aber hatte sie bis neun Uhr geschlafen. Das kam davon, dass sie in der Nacht vom Gewitter geweckt worden war. Sofort wanderten Ellis Gedanken zur Gewitternacht zurück.
Hatte sie Kyrill tatsächlich gesagt, sie würde nicht mehr leben wollen, falls er ihr das Baby wegnehmen würde?
Elli stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte den Kopf in ihre Hände. Sie seufzte schwer. Sie wollte es sich zwar nicht eingestehen, doch sie wusste, dass sie mit ihren Worten unbewusst an Kyrills Gewissen appelliert hatte.
Sie hatte zu einem drastischen Mittel gegriffen, um ihn zu erschrecken, sie hatte dramatische Worte gewählt. Natürlich hatte sie nicht grundlos gedroht, sich das Leben zu nehmen. Es war ihr letzter, verzweifelter Versuch gewesen, Kyrill davon zu überzeugen, das Baby ihr zu überlassen.
Nachdem sie Kyrill und dem Gewitter entflohen und auf ihr Zimmer gestürzt war, hatte Elli noch lange nicht einschlafen können. Immer wieder hatte sie sich gefragt, wie er wohl auf ihre Worte reagieren würde. In der dunklen Nacht hatte sie noch ganz deutlich den Schock und den Unglauben in seinen Augen gesehen, hatte wieder und wieder beobachten können, wie seine Arme kraftlos an seinen Seiten abgesackt waren.
Elli schluckte. Sie hoffte nur, ihre Worte hatten die gewünschte Wirkung erzielt. Sie hoffte nur, dass Kyrill nun endlich einsah, dass er das Baby ihr überlassen musste. Sie hoffte, dass er sich bei ihr für sein egoistisches Denken und Handeln entschuldigen und seine Rolle als Wochenendvater annehmen würde.
Elli hob den Blick und starrte auf ihre Zimmertür. Sie wagte nicht, ihr Zimmer zu verlassen, aus Angst, Kyrill zu begegnen. Sie wagte nicht einmal zu frühstücken, aus Furcht sie könne auf ihn treffen. Sie fürchtete sich mehr denn je vor ihm. Denn was, wenn sein Herz wirklich aus Stein wäre und ihn sogar ihre Selbstmorddrohung kalt liesse?
Elli wagte nicht einmal, daran zu denken. Dann wäre sie wirklich am Ende!
Ihr Blick ruhte lange bewegungslos auf ihrer Tür. Beinahe hoffte sie, wenn sie die Tür nur lange genug anstarren würde, würde Kyrill schliesslich hindurch treten und sie um Vergebung bitten für all die Angst und den Aufruhr, die er in ihr ausgelöst hatte.
Doch die Tür öffnete sich nicht. Kyrill blieb ihrem Zimmer fern. Ebenso ihre Tante, die heute nicht bereit zu sein schien, ihr das Frühstück auf das Zimmer zu servieren. Wieso musste sich Lisa ausgerechnet heute weigern, ihr ein Tablett aufs Zimmer zu bringen?
Während all der Tage, während derer Elli wie eine Verrückte geschrieben hatte, hatte Lisa doch auch nichts dagegen gehabt, sie ein bisschen zu verwöhnen. Es war, als hätte sich heute die ganze Welt gegen sie verschworen.
Elli erhob sich resigniert. Wenn sie nicht in ihren eigenen vier Wänden verhungern wollte, musste sie sich früher oder später in die elende Küche begeben!
Elli stiess die Küchentür auf. Und erstarrte.
Kyrill sass am kleinen Küchentisch. Er hatte ihr den Rücken zugewandt, fläzte sich entspannt auf einem Stuhl und hatte die nackten Füsse auf den gegenüberliegenden Stuhl gelegt. Er las die Zeitung. Vor ihm standen eine Tasse dampfenden Kaffees und ein frisches Croissant.
Er verkörperte den Inbegriff der Gemütlichkeit an diesem regnerischen Sommersonntag.
Elli presste sich unwillkürlich eine Hand aufs Herz. Sie alberne, hoffnungslose Idiotin! Hatte sie tatsächlich angenommen, Kyrill hätte vor Sorge um sie kein Auge zu tun? Hatte sie tatsächlich gedacht, er würde sich schlaflos in seinem Bett wälzen und nach den richtigen Worten suchen, um sich bei ihr zu entschuldigen?
Entschuldigen?
Wie war sie bloss auf diesen Gedanken gekommen? Nichts lag Kyrill ferner als eine Entschuldigung!
Kyrill lachte leise auf. Er hatte sie nicht gesehen und starrte grinsend auf die Zeitung.
Elli schnappte nach Luft. Während sie vor Angst und Kummer in ihrem Zimmer fast umgekommen war, ging es Kyrill so richtig gut. Es amüsierte ihn sogar, die Zeitung zu lesen!
Elli ballte die Hände zu Fäusten. Plötzlich kam ihr ein schrecklicher Gedanke, der ihr das Blut in den Adern gefrieren liess. Ein eiskalter Schauder rann über ihren Rücken. Sie begann zu zittern vor Kälte, als würde sie nackt im Schnee liegen.
Vielleicht wünschte Kyrill ja ihren Selbstmord? Vielleicht kam es ihm ja gerade recht,
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