Verbotene Sehnsucht
stimmte. Es schien ihr mit einem Mal, dass James Rutherford mehr war als nur ein reicher Erbe mit beeindruckendem Vermögen und ebensolchem Landbesitz, wie man ihn in der guten Gesellschaft sah.
Als das Orchester das nächste Mal einen Walzer anstimmte, zog er sie in die Arme und fing an, mit ihr über das Parkett zu wirbeln. So elegant, wie er sich bewegte, tanzte er auch. Es war das pure Vergnügen, eine einzige fließende Bewegung. James hatte Augen nur für sie und für sonst niemanden, und er tat sich keinen Zwang an, es vor anderen offen zu bekunden. Sein Gesicht hellte sich auf, wenn er auf sie hinunterschaute. War das wirklich alles nur Theater, das sie vor einem neugierigen Publikum aufführten? Wie dem auch sei, sein Zauber wirkte wieder einmal.
Als sie nach dem zweiten Tanz das Parkett verließen, stürmte Lord Feathersby auf James zu, als habe er bereits auf der Lauer gelegen, um ihn in eine Diskussion über den Krimkrieg zu verwickeln, der nun schon seit zwei Jahren andauerte. Missy nutzte die Gelegenheit, im Garderobenzimmer zu verschwinden. Nicht nur um sich frisch zu machen, sondern auch um sich zur Ordnung zu mahnen, dass dies alles hier nichts bedeutete, nicht tiefer ging– zumindest nicht von seiner Seite.
Als sie in den Ballsaal zurückkehrte, entdeckte sie Thomas, der alleine am Rand der Tanzfläche stand, ein Glas Bowle in der Hand, und interessiert zum anderen Ende des Saales schaute. Missy folgte seinem Blick und sah dort eine schlanke Brünette, die in ihrem goldfarbenen Kleid einfach atemberaubend aussah. Sie hatte sie nie zuvor gesehen, doch den Mann an ihrer Seite kannte sie. Es handelte sich um den Marquess of Bradford, einen der Geschäftspartner ihres Bruders. Sie ging zu Thomas hinüber.
» Wer ist das?«, fragte Missy ihn. Es weckte ihre Neugier, dass er die Frau nicht aus den Augen zu lassen schien.
Fast widerwillig wandte Thomas die Augen von der jungen Schönheit, um sich seiner Schwester zuzuwenden.
» Pardon?«, fragte er irritiert, denn offenbar hatte er ihr gar nicht zugehört.
Missy lächelte verschmitzt. » Ich wollte wissen, wer die Lady ist, die du die ganze Zeit anstarrst?«
» Bradfords Tochter, Lady Amelia Bertram, soweit ich weiß. Er deutete zumindest an, dass sie ihn heute Abend begleiten werde.«
» Sie ist sehr schön.« Sie suchte seinen Blick und wartete auf eine Antwort.
» Ja. Aber auch sehr jung.«
Missy musterte sie zum zweiten Mal. » Ich würde sie kaum mehr als Kind bezeichnen. Sie sieht aus wie etwa neunzehn.«
» Ein Jahr jünger«, sagte er.
» Aha, dann weißt du ja bereits Bescheid, dass sie kein Kind mehr ist.«
Thomas erwiderte nichts, hörte aber nicht auf, die große, schlanke, dunkelhaarige junge Frau anzustarren.
» Und welche Geschäfte machst du mit Lord Bradford?«
Den Blick unverwandt auf die andere Seite des Saales gerichtet, antwortete der Bruder eher zerstreut. » Wir sind beide Anteilseigner von Wendels Schiffshandelsgesellschaft.«
Ein rascher Blick nach drüben bestätigte Missy, dass Bradford Thomas entdeckt hatte und mit seiner Tochter geradewegs auf sie zukam. Aus der Nähe betrachtet war die junge Dame noch schöner. Das üppige Haar, kunstvoll aufgesteckt mit ein paar Locken, die sich wie zufällig auf die Schultern ringelten, zierte eine hübsche Spange mit einer Blume. Ihr Teint schimmerte cremig hell und makellos.
» Thomas«, sagte Lord Bradford und streckte ihm die Hand entgegen.
» Sehr erfreut, Sie in Begleitung zu sehen, Harry.« Armstrong ergriff die dargebotene Hand und schüttelte sie kräftig. Dann drehte er sich um und stellte Missy vor, was der andere mit einer Herzlichkeit erwiderte, wie man sie in den höchsten aristokratischen Kreisen nur selten erlebte. Der Mann, mittelgroß und von schlanker Statur, strahlte eine Liebenswürdigkeit aus, der man nur schwer widerstehen konnte.
» Und das ist meine Tochter Amelia«, sagte er mit unverkennbarem Stolz.
Thomas zeigte sein berühmtes gewinnendes Lächeln, das noch jede Frau und jedes junge Mädchen verzaubert hatte.
» Ihr Vater spricht nur in den höchsten Tönen über Sie, Lady Amelia. Ich bin sehr erfreut, endlich Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Amelia schenkte Missy ein freundliches Lächeln, warf ihrem Vater einen misstrauischen Blick zu, bevor sie sich an Thomas wandte. » Ach, wirklich?«, gab sie zurück. » Und mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie einen ziemlich wüsten Ruf haben. Einen Schürzenjäger nennt man sie, der es vorzugsweise
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