Verbotene Sehnsucht
Leere in sich. Kein Baby und damit kein Leben mit James. Jetzt erst gestand sie sich ein, wie sehr sie sich mit jedem Atemzug danach gesehnt hatte. Mit diesem Mann zusammen zu sein, den sie liebte. Den sie immer lieben würde.
Seitdem war eine Woche vergangen, und zwei Bälle sowie eine musikalische Soiree, ein Opernbesuch und eine Einladung zum Dinner hatten auf ihrem Programm gestanden. Sie benahm sich wie immer und verlor kein Wort darüber, dass zwischenzeitlich der Grund für eine Heirat nicht mehr existierte. Missy klammerte sich weiterhin an ihren Traum.
In Gesellschaft benahm James sich wie der perfekte Gentleman. In seinen Mundwinkeln sah man stets dieses spitzbübische Lächeln, das selbst jene Ladys bezauberte, denen man immer nachsagte, völlig unempfänglich für männliche Reize zu sein. Und attraktiv war James weiß Gott. Das spürte sie immer wieder am eigenen Leibe, weil sie stets seinem Zauber erlag. Selbst wenn es sich nur um ein Theater für die Salons handelte, wie sie glaubte. Doch zunehmend häufiger ertappte sie sich bei dem Gedanken, es könnte vielleicht doch etwas zwischen ihnen wachsen, das ihrer Beziehung eine sichere Basis verlieh. Obwohl sie es sich nicht eingestehen mochte, klammerte sie sich heimlich an diese Hoffnung, dass es sich eben nicht bloß um eine Inszenierung zur Beschwichtigung der Gesellschaft handelte.
Doch ihre Illusionen gerieten ins Wanken, sobald sie alleine waren. Dann nämlich hielt er sie neuerdings auf Distanz, körperlich wie gefühlsmäßig. Sein Lächeln verflüchtigte sich schneller als Tautropfen an einem Sommermorgen; an seine Stelle trat ein strenger, dünner Strich, dessen Härte sich in den Linien seines Gesichts fortsetzte.
In solchen Situationen schalt sie sich zwar dumm, ihr Herz an diesen Mann zu verlieren, aber aufgeben wollte sie ihn trotzdem nicht. Männer wie James änderten sich niemals, redete sie sich ein. Sie heirateten nur aus einem einzigen Grund: um einen Erben zu zeugen. Einen Sohn, an den sie ihren Besitz weitergeben konnten. Nur war sie nicht länger die Mutter dieses potenziellen Kindes, noch eines Kindes überhaupt. Sie wusste nicht, welche Konsequenzen das haben würde.
Seit einer Woche tauchte er jeden Tag vor ihrer Tür auf, um sie in den Hyde Park zu begleiten, so auch heute. Er behandelte sie wie immer höflich und kühl und zog sich, kaum saßen sie in der offenen Kutsche, gänzlich in sich zurück. Er ignorierte sie praktisch, bis sie in die Rotten Row einbogen und sich unter die anderen Kutschen, die Pferde, die promenierenden Ladys und Gentlemen mischten. Erst dann begann er eine träge Unterhaltung, die ebenso belanglos wie gekünstelt wirkte.
Heute, beschloss Missy, wollte sie nichts dergleichen zulassen, sondern dem Theater ein Ende bereiten. Ihm die Wahrheit sagen. Sie hatte verloren und musste ihre Niederlage eingestehen, auf der ganzen Linie. Missy gab auf.
» Ich bin nicht schwanger.« Keine Einleitung, nur eine nüchterne, tonlose Feststellung.
James riss den Kopf zu ihr herum, und die Gefühle, die in seinen Augen aufblitzten, ließen sich schwer deuten. Überraschung vielleicht? Er starrte sie endlos lange an, erforschte sie mit seinem Blick.
» Ich nehme an, dass du unendlich erleichtert bist«, fuhr sie fort und lächelte tapfer. » Da ich nicht die Absicht habe, die Unstimmigkeiten zwischen dir und Thomas noch weiter anzufachen, werde ich meinem Bruder erklären, dass du mich zwar immer noch heiraten willst, ich aber abgelehnt habe.«
James hörte nicht auf, sie anzustarren, und sein forschender Blick wurde immer durchdringender. Enttäuschung durchzuckte ihn wie ein frisch geschliffenes Schwert, und er wusste nicht, was er sagen sollte, ohne die Verzweiflung in seinem Innern zu erkennen zu geben.
Zu sehr hatte er sich bereits darauf eingestellt, dass Missy seine Frau wurde. Mehr noch: Er empfand zunehmende Freude bei diesem Gedanken. Sie wird mir gehören. Und die Frau sein, die seine Kinder zur Welt brachte.
Überdies schienen mittlerweile alle davon überzeugt, dass sie heirateten, selbst Thomas, und in der Gesellschaft wartete man bereits begierig auf eine offizielle Ankündigung, noch bevor die Saison zu Ende ging, was in wenigen Tagen der Fall sein würde. Im Moment allerdings sah Missy ganz und gar nicht aus wie eine erwartungsvolle, glückliche Braut. Vielmehr beschlich ihn der Eindruck, dass sie ihn wirklich nicht heiraten wollte und sich nunmehr richtiggehend erleichtert fühlte.
Missy?
Er
Weitere Kostenlose Bücher