Verbotene Sehnsucht
Crawley die Brauen hoch, verengte die Augen dann zu einem Schlitz. » Soll das heißen, dass Sie in der vierten Saison der jungen Dame plötzlich Ihr Interesse entdeckt haben?«
Für den Bruchteil einer Sekunde dachte James, dass er zuschlagen würde, zuschlagen müsste, denn unbezwingbar überkam ihn dieser Drang, doch zum Glück fiel sein Blick rechtzeitig auf Lady Armstrong, und er rief sich zur Ordnung. In ihrem Haus durfte er keine Schlägerei anzetteln.
» Miss Armstrong ist zu gut für Ihresgleichen. Wenn Sie ihr den Hof machen, dann geschieht es auf eigenes Risiko.« James formulierte seine Warnung so deutlich wie möglich.
» Ich denke, dass Miss Armstrong immer noch selbst darüber entscheidet«, entgegnete Crawley steif, wenngleich ohne große Überzeugung.
James lachte hämisch. » Sie scheinen dem irrigen Glauben anzuhängen, dass Duelle aus der Mode gekommen sind. Doch es gibt sie noch, allerdings nur im Verborgenen. Lassen Sie sich gesagt sein, dass Armstrong ein herausragender Schütze ist. Ich würde mich glücklich schätzen, mich ihm als Sekundant zur Verfügung zu stellen.« Damit drehte er sich um und ging fort.
Lady Willis wartete bereits auf ihn, und gemeinsam verabschiedeten sie sich von ihren Gastgebern. Missy allerdings konnte er nicht mehr entdecken, und in seiner gegenwärtigen Stimmung, die ihn einhüllte wie ein finsteres Grab, dachte er, dass es vermutlich so am besten sei.
James begleitete die Baroness bis zu ihrer Tür und kein Stück weiter. Ließ die enttäuschte Lady zurück, die ihm eine heiße, leidenschaftliche Nacht in verschwitzten Laken in Aussicht gestellt hatte, die er jedoch entschlossen ablehnte. Ihr Schmollmund und das verärgerte Glitzern in ihren braunen Augen verrieten ihm, was sie von diesem Rückzieher hielt und dass sie scheinbar weitreichende Ambitionen verfolgte. Doch es interessierte James nicht im Geringsten. Nach einer kurzen Verbeugung drehte er sich um und ging zurück zu seiner Kutsche.
Zu Hause angekommen brodelte es in seinem Innern wie in einem Vulkan. Unablässig schob sich ihm der Anblick vor sein geistiges Auge, wie Crawley Missy geküsst hatte. Es war inzwischen ihre vierte Saison in London, und zweifellos stand es ihm nicht zu, ihren Kavalieren Vorwürfe zu machen. Aber du lieber Himmel, sie hatte etwas Besseres verdient als Crawley und seinesgleichen.
Nachdem er seinem Butler für den Abend freigegeben hatte, machte James es sich in der Bibliothek bequem. Er brauchte jetzt eher einen Drink als Schlaf, denn mit dieser Mischung aus Lust und Ärger, die sich in ihm breitmachte, würde er kein Auge zutun können. Mehr und mehr richtete er seine Wut jetzt gegen sich selbst. Grundgütiger, hatte Missy nicht umwerfend ausgesehen in ihrem blauen Kleid, das grünlich schimmerte wie ein tiefer, kalter See und dessen Ausschnitt einen verführerischen Blick auf ihre verlockenden Brüste erlaubte?
Wie anders sähe die ganze Sache aus, wenn Armstrong und er nicht die engsten Freunde wären und das Thema eines geeigneten Ehemanns für Missy nicht zwischen ihnen stünde. Er trank einen ordentlichen Schluck Scotch und genoss das brennende Gefühl, als der Alkohol seine Kehle hinunterlief.
James lehnte sich bequem in dem ledernen Armsessel zurück und versank in Grübeleien. Überließ sich Gedanken, die zu denken er kein Recht hatte.
So haderte er damit, weil auf der Dinnerparty bei Lady Armstrong die Männer wie eine Meute junger Hunde um sie herumgesprungen waren. Mit einem lauten Knall stellte er das Glas so heftig auf den Tisch, dass die Flüssigkeit über den Rand spritzte. Was sollte das?
Er hatte weder das Verlangen, sie zu heiraten, noch konnte er sie als Geliebte nehmen. Warum also richteten sich ihm die Nackenhaare auf, wenn er nur daran dachte, dass sie mit einem anderen Mann zusammen sein könnte? James griff erneut nach dem Scotch und leerte das Glas in einem Zug.
Er verlor das Zeitgefühl, während er dasaß und grübelte, sich in trübe Überlegungen verlor. Unaufhörlich stürmten Bilder von Missy auf ihn ein, das wilde kleine Mädchen, die verführerische junge Frau. Ein Blick auf die Karaffe verriet ihm, dass er ordentlich getrunken hatte. Doch nur so hielt er es einigermaßen aus, milderte der Alkohol doch sowohl seine Wut als auch sein sehnsüchtiges Verlangen ein wenig.
Die Gedanken kreisten immer noch unablässig in seinem Kopf herum, als ein zweifaches Klopfen die Stille der Nacht zerriss. Er stand auf, ging durch die Halle zur
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