Verbotene Sehnsucht
traf. Irgendetwas huschte über seine Miene, aber sein Lächeln– zurückhaltend und vollkommen leidenschaftslos– ließ sie im freien Fall ins nackte Elend stürzen. Dieser verdammte Kerl vernichtete einfach jede Hoffnung in ihr!
Er bahnte sich den Weg durch die Menge in ihre Richtung, die verwitwete Baroness unverändert im Schlepptau.
Missy tippte sich ans Kinn, atmete tief durch und setzte ihr freundlichstes Lächeln auf.
5
M iss Armstrong«, grüßte James kühl und höflich. Als ob er sie niemals geküsst und niemals seine Lippen auf ihre nackte Brust gesenkt und sie geleckt und ihr höchste Lust verschafft hätte. Es war schwer, seine Höflichkeit entsprechend gelassen zu erwidern, wenn der Kuss, den er auf ihrem Handrücken andeutete, ihr Herz sogleich Freudensprünge machen ließ.
» Lord Rutherford.« Missy bemühte sich um Normalität, aber es klang trotzdem so, als ob sie vollkommen außer Atem sei. Sie musste sich regelrecht zwingen, den Blick von seinen wunderschönen gletscherblauen Augen zu reißen.
Nachdem sie sich einigermaßen gefangen hatte, drehte James sich um und stellte ihr die Baroness vor, die sie auf eine Art anblitzte, die nur bei ganz wohlwollenden Zeitgenossen als Lächeln durchgehen würde. Missy, ohnehin keine Verfechterin gekünstelter Höflichkeit, senkte als Retourkutsche unfreundlich den Kopf. Und als sie bemerkte, dass ihre behandschuhten Finger besitzergreifend und vertraulich über seinen Arm spielten, wurde ihr Blick stechend.
» Rutherford.« Eine herzliche Stimme ertönte hinter ihrem Rücken.
Missy registrierte beschämt, dass sie Lord Granville vollkommen vergessen hatte. Wie üblich war in ihrer Wahrnehmung sofort alles andere verschwommen und in den Hintergrund getreten, sobald James, ihr James, auf der Bildfläche erschien.
» Granville.« James nickte dem Earl knapp zu.
Betretenes Schweigen machte sich breit, das zum Glück durch das Hinzutreten von Thomas und Camille beendet wurde, bevor sich ein Gefühl der Unbehaglichkeit breitmachen konnte.
Missy warf James, der seine Aufmerksamkeit bereits wieder der üppigen Witwe an seiner Seite widmete, noch einen letzten Blick zu, bevor sie sich, um nicht in Tränen der Enttäuschung auszubrechen, entschuldigte und rasch davonging. Granville schaute ihr nach und trat von einem Fuß auf den anderen, während er darüber nachdachte, was als Nächstes zu tun sei. Dankbar stellte sie fest, dass er ihr nicht folgte.
Der Herrensalon auf der anderen Seite der Halle schien die geeignete Zuflucht, um ihre Fassung wiederzugewinnen. Langsam und bewusst atmete sie tief durch und schimpfte sich eine dumme Gans und eine alberne Heulsuse. Hatte sie etwa ernsthaft erwartet, dass er nach zwei Küssen einfach auf die Knie sinken und um ihre Hand anhalten würde? Und hatte ihre Mutter nicht immer gepredigt, dass alles, was sich zu besitzen lohne, auch Mühe und Arbeit verlange? James zu besitzen, das lohnte sich gewiss– und dass eine Menge Mühe und Arbeit auf sie zukam, um dieses Ziel zu erreichen, das war ebenso sicher. Jahrelange vielleicht.
Kurz bevor das Läuten der Dinnerglocke die Gäste zu Tisch bat, verließ auch Missy, trockenen Auges und in besserer Stimmung, den Salon, um sich in die Schlange der Gäste einzureihen, die angeregt plauderten und lachten und sich auf die zu erwartenden Köstlichkeiten freuten. Es dauerte ein paar Minuten, bis alle die für sie vorgesehenen Stühle gefunden hatten.
Als ranghöchstem Gast der Dinnerparty gebührte Lord Granville der Platz neben ihrem Bruder, während sie sich zwischen Lord Crawley und Lord Riley wiederfand, die beide versuchten, sie in eine Unterhaltung zu ziehen. Missy jedoch vermochte weder dem einen noch dem anderen ihre Aufmerksamkeit zu schenken, denn sie war zu sehr damit beschäftigt, zu beobachten, wie Annabel mit Lady Willis sprach, bevor ihnen ihre Plätze zugewiesen wurden: die Baroness, wie nicht anders zu erwarten, unmittelbar neben James, während Annabel sich sichtlich darüber zu freuen schien, ein paar Stühle weiter neben Mr. Johns sitzen zu dürfen, einem attraktiven jungen Anwalt. Missys Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
War das wirklich der Typ Frau, den er bevorzugte? Sie musterte die schlanke Figur der Witwe, ihre üppigen Rundungen, und eine Welle der Enttäuschung überflutete sie: Die Frau war in jeder Hinsicht ganz und gar das Gegenteil dessen, was sie selbst verkörperte.
Rege Geschäftigkeit brach aus, als die Lakaien eintraten und der
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