Verbotene Sehnsucht
Monaten unbeabsichtigt führte. An der langen Zeit, die er nun schon ohne Geliebte verbrachte wie ein eingefleischter Junggeselle. Und dann die Erinnerung an Missys unschuldige Sinnlichkeit, die ihn mehr gefangen nahm, als er sich zugestehen mochte.
» Geschwisterliche Pflichten haben mich ferngehalten«, meinte er und grinste spöttisch, » aber davon verstehst du nichts.« Sie witzelten öfter darüber, dass James’ Beziehung zu seinem zwölf Jahre jüngeren Bruder nicht mit der Verantwortung des jungen Viscount für drei vaterlose Schwestern zu vergleichen war.
» Ich würde mich kaum als Einzelkind bezeichnen«, erwiderte James trocken.
» Nein, nicht im strengen Sinne, obwohl Christopher im Grunde genommen ja alleine aufgewachsen ist, genau wie du.«
Sie unterbrachen ihre Unterhaltung kurz, als der Diener zurückkehrte und das Getränk abstellte. Armstrong bedankte sich, indem er eine Münze auf das Tablett warf, und der Mann, indem er anerkennend lächelte und sich knapp verbeugte.
James wartete, bis er zum nächsten Tisch geeilt war, bevor er das Gespräch fortsetzte. » Das spielt keine Rolle, weil es meine Zuneigung zu ihm überhaupt nicht berührt.« Jeder, der James kannte, wusste, wie sehr er seinen jüngeren Bruder liebte. Es gab nur wenige Dinge, die er für ihn nicht tun würde, was Christopher jedoch leider manchmal ungebührlich auszunutzen verstand.
» Natürlich nicht. Aber es ist trotzdem etwas anderes, Schwestern zu haben, die du unter die Haube bringen musst. Noch dazu so schöne. Wenn Missy sich nur endlich auf Granville einlassen würde, dann hätte ich bis zum nächsten Jahr wenigstens ein wenig Ruhe.« Er klang gleichzeitig grimmig und amüsiert. » Ich nehme an, dass es mir genauso ergehen wird, wenn ich eines Tages Töchter haben sollte. Das heißt, falls ich überhaupt heirate.« Nachdenklich nippte er an seinem Scotch.
» Welche Familienpflichten?« James gab sich betont gelassen. » Erzähl mir nicht, dass du wieder einmal dafür zu sorgen hattest, die Horde von Kandidaten zu sortieren, die bei deiner Mutter vorstellig werden?«
Armstrong lachte auf. » Wenn man bedenkt, dass sie bereits ihre vierte Saison absolviert, bin ich froh, dass sie überhaupt noch im Rennen ist. Und meine Mutter hat sich nicht verändert. Sie besteht darauf, dass jeder Gentleman, der meiner lieben Schwester den Hof machen will, seine Verhältnisse vorher rückhaltlos offenlegen muss. Du liebe Güte, die Liste ist so lang wie mein Arm.«
Angesichts ihrer Schönheit überraschte das nicht besonders, doch James hatte den Eindruck, dass es ihm schon den Verstand raubte, Armstrong auch nur von anderen Männern für Missy reden zu hören. Er bekam sie einfach nicht mehr aus dem Kopf, und er merkte, dass seine Prinzipien langsam aber sicher ins Schleudern gerieten.
Jahrelang hatte er das Haus der Armstrongs gemieden, um nichts von Missys Verehrern zu sehen und zu wissen. Jetzt nicht mehr. Schluss mit der Flucht. In dieser Saison wollte er den zahlreichen Gentlemen, die Missy als Ehefrau begehrten, ins Gesicht schauen. Bei dem Gedanken fuhr ihm ein schmerzhafter Stich durch die Brust.
» Und wen hältst du für würdig, deine Schwester zu heiraten und für dich wie ein Bruder zu werden?« Die Frage kam ihm über die Lippen, bevor er sich beherrschen konnte, und er verwünschte seinen inneren Drang, mehr darüber zu erfahren. Ja, er verfluchte sich sogar, weil es ihn überhaupt interessierte.
» Riley, Marbrough, Essex und Granville, wie du weißt. Nur um ein paar Namen zu nennen«, erwiderte Armstrong.
» Grundgütiger, ich kann es nicht fassen, dass du Marbrough oder Essex erlaubst, sich ihr auf zehn Schritte zu nähern. Allesamt nichts anderes als zweitgeborene Söhne auf der Suche nach einer reichen Erbin. Außerdem passt Marbrough mit seinem Leibesumfang kaum durch einen Türrahmen, und Essex hat Ohren so groß wie ein Elefant. Es fällt mir schwer zu glauben, dass du solche Züge an deinen künftigen Neffen oder Nichten wiederentdecken möchtest. Mit diesen Typen würde Missy niemals glücklich werden. Und, bei Gott, Riley? Der Mann hat ein Rückgrat wie eine Qualle, steht völlig unter der Fuchtel seiner Mutter. Dieses verfluchte Weib wird Missy das Leben zur Hölle machen.«
Armstrong rückte den Sessel vom Tisch ab, legte einen Fuß lässig über das Knie und schaute James an. Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. » Was ist mit Granville? Wahrscheinlich brennst du darauf, mir zu
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