Verbotene Sehnsucht
Sie mich fragen.«
Missy achtete nicht weiter auf den boshaften Tonfall. » Ich glaube, dass niemand Sie fragt«, wies sie die Klatschbase zurecht. Claire neben ihr kicherte leise. Missy wandte sich zu ihrer Freundin und verdrehte die Augen.
Miss Lindley hatte sich jedoch so sehr auf ihre Mission versteift, ein Gerücht in Umlauf zu setzen, dass sie sich durch Missys tadelnde Worte nicht bremsen ließ. » Aber sie müssen sich natürlich sehr beeilen, da angeblich ein Kind unterwegs ist.« Ihr Blick flog zwischen Missy und Claire hin und her, als sie die letzten Worte ausstieß und mit atemlosem Vergnügen auf die Reaktion der beiden wartete.
Missy erstarrte innerlich, riss sich aber zusammen, um sich nichts anmerken zu lassen, während Claire ihr beruhigend die behandschuhte Hand auf den Arm legte. Es dauerte allerdings einige Sekunden, bis sie zu einer Antwort fähig war.
» Ja, ich habe gehört, dass sie innerhalb der nächsten vier Wochen heiraten werden, und für eine solche Eile kann es nur einen einzigen Grund geben. Meine Mutter sagt, dass die Marchioness überglücklich sei, Lord Rutherford als Schwiegersohn zu bekommen, und offenbar hat sie eine Schwangerschaft nicht abgestritten. Allerdings weiß ich nicht, ob irgendjemand sie direkt danach gefragt hat.« Die Frau warf Missy ein verschlagenes und wissendes Lächeln zu. » Denken Sie an meine Worte: Bevor das Jahr zu Ende ist, wird Lady Victoria ordentlich zugenommen haben.« Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den Eingang und gluckste vor Freude. » Sieht so aus, als habe sich das glückliche Paar entschlossen, sich in Gesellschaft zu zeigen.«
Unwillkürlich folgte Missy ihrem Blick. James, der eine dunkelblaue Hose, eine Weste mit Halstuch und darunter ein hellblaues Seidenhemd trug und sich die dunklen Haare aus dem Gesicht gekämmt hatte, zog wie gewohnt die Aufmerksamkeit aller Gäste auf sich und beherrschte mit seiner Präsenz den Raum. Lady Victoria an seiner Seite präsentierte sich in einem schlichten, aber eleganten und mit Perlen besetzten weißen Kleid. Er dunkel, sie hell, boten sie einen wundervollen Kontrast und einen perfekten Anblick.
Der scharfe Schmerz, der Missy durchzuckte, war kaum zu ertragen. Sie hatte das Gefühl, dass ihr die Sinne schwanden, ihr Magen sich verkrampfte und sie eine schreckliche Übelkeit überfiel. Mein Gott, dachte sie, hoffentlich musste sie sich nicht übergeben, denn das wäre ein gefundenes Fressen für Miss Lindley. Rasch wandte sie sich zu Claire um, die ebenfalls verstört wirkte, aber tröstend ihre Hand nahm.
» Ich hatte angenommen, es sei unter Ihrer Würde, solche taktlosen Gerüchte zu verbreiten«, tadelte Claire Miss Lindley.
Die Klatschbase schniefte gekränkt und wedelte erneut mit ihrem Fächer. » Nun ja, wir werden bald sehen, ob es nur ein Gerücht ist.«
Missy erlaubte sich einen weiteren Blick auf das Paar und beobachtete, wie die beiden über den Mittelgang zu ihren Plätzen schritten. Lady Victoria sah weder nach rechts noch nach links und grüßte niemanden, an dem sie vorbeiging, während James’ Blick suchend über die Gäste schweifte. An einer kleinen Veränderung seiner Haltung merkte Missy, dass er sie entdeckt hatte– seine Augen weiteten sich eine Spur, sein Schritt verzögerte sich kaum merklich. Hastig drehte Missy sich weg.
Thomas, der sie und Claire an diesem Abend begleitete und kurz nach ihrer Ankunft mit Lord Brigham verschwunden war, tauchte wenige Minuten später wieder auf. Sobald er James erspähte, winkte er ihm zu, und die beiden Männer zogen sich kurzfristig in eines der hinteren Zimmer zurück.
Als sie zurückkamen, trafen sich ihre Blicke erneut, bevor James sich setzte, während Thomas neben Claire Platz nahm. Sehr zum Entzücken von Miss Lindley, die die Hoffnung auf einen Ehemann offenbar noch nicht begraben hatte und dem attraktiven Junggesellen schöne Augen zu machen versuchte. An einem anderen Abend würde sich Missy offen über ihre albernen Bemühungen amüsiert haben, doch nicht heute. Heute war sie zu sehr mit James und ihrem Kummer beschäftigt.
Nach der Hälfte der musikalischen Darbietungen gönnte man den Gästen ebenso wie dem Orchester eine kleine Pause. Missy nahm die Gelegenheit wahr, sich in den Garderoberaum zurückziehen. Claire, die spürte, dass die Freundin alleine sein wollte, verzichtete darauf, sie zu begleiten, und blieb bei Thomas zurück.
Durchflutet von Gefühlen, die sie kaum noch beherrschen konnte, nutzte
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