Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
Mitleid. Arme Claire, dieses Schicksal konnte nur ihr Ende bedeuten. Viele überlebten nicht einmal die Fahrt hinüber zu dem anderen Kontinent, zusammengepfercht auf viel zu kleinen Schiffen, wo unter den Passagieren schnell Krankheiten ausbrachen und sich rasend verbreiteten. Drüben angelangt, erging es ihnen kaum besser als Sklaven, denn sie wurden Familien als Dienstboten zugeteilt, und niemand kümmerte sich weiter darum, was mit ihnen geschah. Eine so heruntergekommene Frau wie Claire würde nicht einmal das Glück haben, wenigstens persönliche Zofe einer Offiziersgattin zu werden, sondern hatte wahrscheinlich die harte Arbeit einer Stallmagd zu tun. Lange würde sie das kaum durchhalten.
    Der gerade gefällte Urteilsspruch ließ eine neue entsetzliche Angst in Elizabeth wach werden. An diese Möglichkeit hatte sie überhaupt nicht gedacht, aber auf einmal kam sie ihr gar nicht mehr so abwegig vor.
    Wenn sie John auch nach Australien verbrannten... Sie stieß Sally an.
    »Meinst du, daß John dasselbe Urteil bekommt?« fragte sie.
    Sally schüttelte beruhigend den Kopf.
    »Nein, nein«, meinte sie, »sicher nicht.«
    Elizabeth aber sah Patricks bedenkliches Gesicht. Sie kam nicht mehr dazu, ihn darauf anzusprechen, denn jetzt führte der Türsteher John herein.
    »Lord John Carmody, Euer Ehren«, verkündete er. John trat vor. Er trug völlig verdreckte und zerfetzte Kleidung, seine Haare waren struppig, und um das Kinn wuchs ihm ein Bart. Wie immer in heiklen Situationen wirkte er sehr gelassen.
    » Lord John Carmody?« fragte der Richter.
    »Ja. Adel aus Devon«, erwiderte John.
    »Hm. Verarmter Adel.«
    »Jawohl. Und am Aussterben. Ich bin der letzte meiner Familie. «
    »Soso. Und daher glauben Sie wohl, sich nicht länger Ihres Namens würdig erweisen zu müssen!«

    »Ich sah es nie als meine Aufgabe an, mich eines Namens würdig zu erweisen, sondern nur meiner selbst.«
    Der Richter überging dies. Mit ausdruckslosem Gesicht blätterte er in seinen Unterlagen.
    »Sie haben wiederholt Unruhe gestiftet«, sagte er, »Sie haben Reden geführt gegen die englische Justiz, gegen Mitglieder der Gesellschaft und gegen das britische Wirtschaftssystem. Sie haben außerdem Flugblätter drucken lassen, in denen Sie Hetzreden führen gegen die Navy. Stimmt das?«
    »Nicht ganz, Euer Ehren. Es ist richtig, was Sie vortragen, doch gehetzt gegen die Navy habe ich nicht. Ich habe mich sachlich gegen die Art und Weise ausgesprochen, wie dort Rekruten angeworben werden.«
    Der Richter trommelte ungeduldig mit seinen Fingern auf den Tisch.
    »Eine schöne Umschreibung ändert nichts an Tatsachen«, sagte er grimmig, »unbegründete Hetze war es, sonst gar nichts.«
    John schwieg. Elizabeth preßte fest die Lippen aufeinander. John hatte ruhig gesprochen, ohne Angriffslust, aber diesen Richter vermochte das gar nicht zu beeindrucken. Seine stumpfen Augen verrieten, daß ihm jeder Angeklagte gleichgültig war. Wahrscheinlich hatte er jedes einzelne Urteil, das er heute verkünden würde, schon frühmorgens festgesetzt. Ihm ging es nur darum, möglichst schnell mit jedem Fall fertig zu werden.
    »Sie gestehen also?« fragte er.
    »Mit der genannten Einschränkung — ja.«
    Der Richter wandte sich an den Schreiber, der neben ihm saß. »Der Angeklagte John Carmody bekennt sich der gegen ihn erhobenen Vorwürfe in vollem Umfange für schuldig«, diktierte er, »das bedeutet, schuldig der fortwährenden unbegründeten Verunglimpfung des gesamten britischen Gesellschaftssystems. Er gesteht das Führen von Hetzreden gegen Adel und Navy sowie die schriftliche Verbreitung aufrührerischer Gedanken.« Er sah wieder zu John hin.
    »Sie sollten sich schämen«, sagte er heftig, »gegen Ihr Vaterland
zu Felde zu ziehen in einem Augenblick, da es seine ganze Kraft braucht, um gegen die französische Weltvorherrschaft unter Napoleon Bonaparte zu kämpfen. In einem Augenblick, da Männer wie Admiral Nelson ihr Leben einsetzen, die Freiheit eines jeden Briten zu wahren. Auch Ihre Freiheit, John Carmody! «
    »Euer Ehren, ich sehe nicht den Zusammenhang zwischen Ihren Worten und den gegen mich gerichteten Beschuldigungen«, entgegnete John. »Der Krieg mit den Franzosen hat nichts zu tun mit den innenpolitischen Verhältnissen Englands. Es geht mir um die Ausbeutung und Unterdrückung des Volkes durch...«
    »Hören Sie auf«, befahl der Richter, »sonst wird mir schlecht. Ich bin nicht dazu da, mir hirnlose Reden anzuhören, die ihren

Weitere Kostenlose Bücher