Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Elizabeth, natürlich darfst du bleiben. Aber... ich bin krank. Ich kann mich nicht aufregen.« Sie schlurfte langsam in ihr Zimmer zurück.
Als die Tür hinter ihr zugefallen war, sagte Elizabeth erschrocken: »Sie ist alt geworden! Sie sieht so schlecht aus. Dabei sind erst vier Jahre vergangen, seit ich...«
»Seit was?« fragte Joanna kalt.
»Seit ich zu John ging.«
»Oh, vier Jahre sind eine lange Zeit für eine Frau, die sich fast zu Tode grämt!«
»Grämt? Meinetwegen?«
Joanna biß sich auf die Lippen. Sie vermochte nicht zu schwindeln, nicht Elizabeth gegenüber.
»Nein, nicht deinetwegen«, erwiderte sie ehrlich, »du weißt, es war der Tod meines Vaters, der ihr jede Lebenskraft genommen
hat. Dazu unser langsamer finanzieller Verfall. Ich glaube, an deine... Taten denkt sie kaum mehr.«
Elizabeth nickte. Edna betrachtete sie mitleidig.
»Miss Elizabeth muß schlafen«, bestimmte sie, »und vorher noch etwas essen. So dünn und so müde, wie sie ist!«
»Ich habe keinen Hunger, danke. Aber ich würde gern schlafen. «
»Das alte Zimmer?«
»Nein«, warf Joanna rasch ein, »eines der Gästezimmer!«
Sie blickte Elizabeth nach, wie sie hinter Edna die Treppe hinaufstieg. Ein greller Blitz tauchte für einen Augenblick die Halle in schwefelgelbes Licht. Joanna ließ sich in einen Sessel sinken. Sie konnte nicht begreifen, was mit ihr geschah, nicht den jagenden Wechsel von Glück und Zorn in ihrem Inneren verstehen. Warum kehrte Elizabeth heim? Was war geschehen, was alles hatte sie erlebt in den Jahren der Trennung? Sie war so fremd geworden. Vielleicht wollte sie für immer in Heron Hall bleiben, auch wenn sie das nicht gleich gesagt hatte. Sie mußte es heute noch erfahren, sie hielt es sonst nicht aus.
Entschlossen sprang sie auf und lief die Treppe hinauf. Oben blieb sie einige Minuten stehen, nahm allen Mut zusammen und klopfte. Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern trat sofort ein.
Elizabeth stand am Fenster und beobachtete das tosende Unwetter, die Bäume, die sich unter der Wucht des Sturmes bogen, und das Gras im Park, das flachgedrückt auf der Erde lag. Sie drehte sich um, als sie Joanna bemerkte.
»Joanna«, sagte sie, »ich hoffte, du würdest kommen!«
Joanna schloß die Tür hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken dagegen.
»Warum bist du zurückgekehrt?« fragte sie.
Elizabeth zuckte. »Ich... du bist böse auf mich, nicht?«
»Wenn ja — würde es dich wundern?«
»Ich weiß eigentlich nicht, welches Verbrechen ich begangen habe!«
»Verbrechen! Bist du wenigstens glücklich geworden mit
John? Weißt du, du hättest mir ruhig öfter schreiben können!«
»Das wollte ich. Aber... mein Leben war in den letzten Jahren nicht ganz leicht.«
Beide schwiegen. Schließlich sagte Joanna: »Ich glaube es dir. Du siehst elend aus. Aber sage mir doch, bist du glücklich gewesen mit ihm?«
»Gewesen?« wiederholte Elizabeth. »Ich habe ihn geliebt, und ich liebe ihn jetzt.«
»Ach ja?«
»Ich glaube nicht, daß ich vollkommen glücklich war. John ist unruhig, nervös, launisch, oft schwach, fern von mir und ständig einsam, auf eine Art, die mich krank machen kann. Aber ich liebe ihn eben!«
»Mir drängt sich da eine Frage auf«, sagte Joanna. »Du sprichst soviel von deiner Liebe zu ihm ... wie ist es, liebt er dich eigentlich auch?«
Elizabeth starrte sie an.
»Ich bin ihm nachgelaufen, seit ich ihn das erste Mal gesehen habe«, erwiderte sie heftig, »und ich werde ihm mein ganzes Leben lang nachlaufen müssen. Und doch, ich weiß, er liebt mich.«
»Er scheint es ziemlich gut zu verbergen!«
»Was weißt du denn davon!«
»Ich sehe dein Gesicht, und es erscheint mir nicht ausgesprochen strahlend. Außerdem — du bist von ihm fortgegangen.«
»Nein. Ich komme nur zu dir in einer verzweifelten Lage. Ich brauche deine Hilfe, Joanna. Ich weiß sonst niemanden, an den ich mich wenden könnte.«
Ein Regenschauer schlug laut prasselnd gegen das Fenster. Beide Frauen erschraken. Joannas Augen glühten in ihrem blassen Gesicht.
»Jedesmal«, sagte sie, »wenn wir von John sprechen, haben wir draußen ein Gewitter. Weißt du noch, damals, als du von deiner Flucht zurückkehrtest zu Miss Brande?«
Elizabeth schauderte.
»Ja«, flüsterte sie, »ich weiß es noch. Aber es ist sehr lange her. Inzwischen ist alles anders.«
»Meinst du? Jetzt siehst du so ängstlich aus. Was denkst du von mir?«
»Du ... hast mich sehr gern...«
Joanna lachte.
»Ich weiß
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