Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
wenn sie Kummer hatte! Irgendwann mußte sie sich dessen doch bewußt werden. Er überlegte, was
ihre Stimmung so getrübt haben könnte, und kam zu dem Schluß, daß es mit Elizabeth zusammenhing. Natürlich, sie hatte ja weinend hervorgestoßen: »Elizabeth ist mir ganz gleichgültig! « Die beiden hatten sich gestritten, und zwar offenbar heftig. Edwards eigene Laune hob sich. Ohne etwas Genaues zu wissen, hatte er immer geahnt, daß Elizabeth zwischen ihm und Joanna stand. Er hatte die Empfindung einer unguten Abhängigkeit, in der sich Joanna von Elizabeth befand, und er hatte das immer mit Sorge beobachtet.
»Ich möchte mich nicht aufdrängen«, sagte er schließlich, als der Wagen vor Heron Hall hielt, »aber wenn Sie mit jemandem über Ihren Schmerz reden möchten, dann kommen Sie zu mir, ja?«
Joanna nickte, kletterte aus der Kutsche und lief gleich davon. Etwas zu spät fiel ihr ein, daß sie vergessen hatte, sich für Edwards Begleitung zu bedanken. Aber was spielte das noch für eine Rolle? Sie lief in ihr Zimmer, schloß die Tür, lehnte sich kraftlos an die Wand und empfand es als einzige Gnade des Schicksals, daß Harriet schlief und sie nicht ausfragen konnte.
»Belinda bringt mich um«, murmelte sie, »und Elizabeth genauso! «
Sie wußte, daß niemand von Belinda Rücksicht erwarten durfte, und sie selbst schon gar nicht. Sie hatte das Mädchen immer mit Verachtung und Herablassung behandelt, bereits früher, in ihrer Kindheit. Und ohnehin galt die Tochter von Viola Fitheridge als ein ebenso schlimmes Klatschmaul wie ihre Mutter. Was soll ich nur tun, dachte sie verzweifelt, ich muß irgend etwas tun, um es ihnen allen zu zeigen. Belinda und der verdammten Elizabeth!
Ihr Blick glitt durch das ganze Zimmer und blieb an einem großen Strauß dunkelroter Rosen hängen, der in einer Vase auf dem Tisch stand. Edward hatte ihn ihr wenige Tage zuvor geschenkt. Edward...
»Wenn Sie mit jemandem über Ihren Schmerz reden möchten, dann kommen Sie zu mir!«
»Aber ihm kann ich es auch nicht sagen«, jammerte sie leise.
Edward würde sie nicht verstehen. Wem sollte sie ihre Gefühle auch begreiflich machen, wenn sie ihr doch selber fremd blieben? Am Ende würde sie ihn völlig erschüttern, und bestimmt würde er ihr nie wieder einen Heiratsantrag machen. Von diesem Problem wäre sie befreit. Aber plötzlich zuckte ein Gedanke in ihr auf. Sie blieb mitten im Zimmer stehen und starrte hinaus in die Nacht. Das war ja der einzige Ausweg, der ihr blieb, heiraten mußte sie, und zwar so schnell wie möglich! Warum fiel ihr das jetzt erst ein, wo es doch die Rettung für sie bedeutete! Niemand konnte Belindas Geschichten dann noch glauben, ohne sich lächerlich zu machen, aber wahrscheinlich wagte das Mädchen es unter diesen Umständen gar nicht, davon zu sprechen. Und was das schönste war... auch Elizabeth konnte sie damit treffen. Sie sollte sich bloß nichts einbilden, diese treulose, bösartige Person, die sie im Stich ließ, wann immer es in ihre Pläne paßte. Sie sollte nur sehen, daß Joanna sich selbst helfen konnte und daß sie keine Minute Kummer an ihre Freundin verschwendete. Sie konnte sich ihren künftigen Ehemann nicht aussuchen, denn neben Edward hatte nie jemand ernste Absichten bekundet. Joanna Sheridy hatte längst den Ruf, kühl und abweisend zu sein, und oft schüchterte sie Männer durch scharfzüngige Reden ein, so daß sie sich bald zurückzogen. Aber Edward hatte immer ausgehalten, jede Laune und jeden bösen Blick ertragen. Natürlich war er nie der Mann ihrer Träume gewesen, aber welcher Mann war das schon?
Es wäre bei jedem dasselbe, dachte sie, weiß der Teufel, wie andere Frauen das machen, aber ich könnte mich nie in einen Mann verlieben!
Immerhin war bei Edward von Vorteil, daß sie mit ihm machen konnte, was sie wollte. Seine seelische Labilität machte ihn so schwach, daß Joanna ihm gegenüber sehr stark sein konnte. Sie mußte sich jedoch klar darüber sein, daß ihr Weg mit Peinlichkeiten verbunden sein würde. Es war kaum anzunehmen, daß Edward ausgerechnet am nächsten Tag seine Bitte, sie möge doch seine Frau werden, wiederholen würde, doch andererseits konnte Joanna nicht lange warten.
»Das bedeutet, ich muß morgen zu ihm gehen«, sagte sie halblaut, »ich muß ihm zu verstehen geben, daß ich nun bereit bin, seinen Antrag anzunehmen. Wie scheußlich unangenehm — aber es ist ja nur Edward, und sich ihm gegenüber zu demütigen ist noch erträglich.
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