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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Bewunderer im Publikum, die ihr lautstark Beifall zollten. Die Londoner liebten ihre Theater leidenschaftlich, waren in der Euphorie ebenso hemmungslos wie im Zorn, weswegen selten eine Szene ungestört über die Bühne ging. Aber natürlich, das gehörte dazu, und jeder hätte die Rufe und das Gejohle schmerzlich vermißt, wären sie einmal ausgeblieben.

    Elizabeth lehnte sich weit über die Brüstung und starrte so angestrengt hinunter, als habe sie Angst, sie könne ein einziges Wort, das auf der Bühne gesprochen wurde, versäumen. Jeder einzelne Satz rührte sie an, und sie dachte, welch ein unglaublich herrliches Gefühl es für einen Dichter sein müsse, ein solches Werk zu schaffen, und für einen Schauspieler, es darzustellen. Sarah Kemble war wundervoll. Auf der Straße wäre sie niemandem aufgefallen, aber als Lady Macbeth zog sie die Zuschauer so in ihren Bann, daß für Minuten sogar jedes andere Geräusch im Saal verstummte. Sie trug ein einfaches schwarzes Kleid, das glatt und fließend zu Boden fiel, und hatte die aufgetürmten Haare leicht gepudert, womit sie sich deutlich der Mode von Shakespeares Zeiten widersetzte und sich nach ihrem eigenen Jahrhundert kleidete.
    Sie gehörte zu den wenigen Schauspielern, bei denen das Publikum diese Eigenwilligkeit sanftmütig hinnahm, nachdem nun schon seit zwanzig Jahren in ganz London hitzige Debatten darüber geführt wurden, ob ein Verzicht auf stilgerechte Kostümierung den Zuschauern zuzumuten sei oder nicht. Sarah Kemble, da war man sich einig, hätte in einer Ritterrüstung spielen können, sie wäre immer Lady Macbeth geblieben und hätte jeden Zweifler blitzschnell davon überzeugt.
    Während einer kurzen Pause, als sich der Vorhang senkte und die ersten Blumensträuße auf die Bühne flogen, sah Elizabeth zu ihren Begleitern hin. Edward hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und hielt die Augen geschlossen. Er sah gequält und aufgewühlt aus. Neben ihm wirkte Joanna merkwürdig konzentriert, aber nicht auf das Theater und die Menschen im Saal, sondern in eigenen Gedanken gefangen. Ihre Stirn war leicht gerunzelt. Irgend etwas schien sie ganz merkwürdig intensiv zu beschäftigen.
    Andrew hingegen war ganz und gar in das Stück vertieft, ohne den Ausdruck von Schmerz auf dem Gesicht wie Edward, und Belinda — Elizabeth mußte ein Kichern unterdrücken –, Belinda dachte offensichtlich nur über ihre eigene Wirkung nach, denn sie stützte ihren Kopf höchst elegant in ihre rechte Hand und
hielt ihn leicht zur Seite gedreht, so daß Sir Wilkins ihr hübsches Profil im günstigsten Winkel betrachten konnte, was er auch ausgiebig tat.
    Sein schandbares Benehmen verzieh sie ihm wohl inzwischen, und ganz sicher war sie sich gerade jetzt der Tatsache bewußt, daß ihre hellblonden Haare wirkungsvoll über dem Schwarz ihres Kleides zur Geltung kamen.
    Shakespeare ging weiter, von Szene zu Szene fesselnder und aufreibender. Sie waren bereits bei der Schlafwandelei der Lady Macbeth angelangt, als sich Joanna zu Elizabeth hinüberlehnte und sie anstieß.
    »Elizabeth«, flüsterte sie, »weißt du, was mir merkwürdig vorkommt? Ich...«
    In diesem Augenblick erhoben sich alle Zuschauer wie auf ein geheimes Zeichen hin und spendeten minutenlang tosenden Applaus. Die Schlafwandelszene galt als Glanzstück der Sarah Kemble und riß das Publikum immer wieder derart hin, daß das Stück durch Beifallsstürme unterbrochen wurde. Es soll Abende gegeben haben, an denen von diesem Moment an nicht weitergespielt wurde, weil jeder mit diesem Höhepunkt das Theater beschließen wollte und lieber über Stunden hinweg applaudierte, als weitere Szenen anzusehen.
    »Was kommt dir merkwürdig vor?« fragte Elizabeth leise zurrück.
    »Ich dachte schon die ganze Zeit darüber nach.« Joannas Stimme war in dem Lärm beinahe nicht zu verstehen.
    »Was?«
    »Diese Karten von Lady Stanford — ich finde es merkwürdig, weil doch... ich bin mir ganz sicher, daß sie es war, damals bei dem Fest im November, die erklärte, sie habe Macbeth hundertemal gesehen, und ihr Sinn stehe nun wirklich nach etwas anderem... «
    Andrew wandte sich ihnen zu.
    »Was ist denn?«
    Joanna antwortete ihm nicht, sondern senkte ihre Stimme noch mehr.

    »Ich verstehe daher nicht, weshalb sie diese Karten gekauft hat.« «
    »Vielleicht hat sie es sich inzwischen anders überlegt«, meinte Elizabeth, »sie sagte das im November, jetzt ist Januar, und sie könnte...«
    »Kommen die Karten ganz sicher

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