Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
liebenswürdig und nahm ihr den Mantel ab, »setzen Sie sich doch bitte zu uns.«
»Ein Dienstmädchen von Lady Stanford kam heute früh zu mir«, berichtete Belinda. »Lady Stanford ist zu ihrem Landsitz in Northumberland abgereist, aber sie hatte noch drei Karten für Macbeth in Covent Garden. Sie hat mir eine geschenkt, und die beiden anderen sind für dich, Elizabeth, und für Sie, Sir.«
Elizabeth und Andrew waren ebenso überrascht wie Belinda am Morgen.
»Wie freundlich von ihr«, sagte Andrew. »Möchtest du hingehen, Elizabeth?«
»Ja, gern. Möchtet ihr nicht auch mitkommen, Edward und Joanna?«
»Ich glaube, ich habe keine Lust«, murmelte Edward. Joanna blickte in sein schmales, eingefallenes Gesicht. Seit er von Trafalgar zurückgekehrt war, schien er an nichts im Leben mehr Freude zu finden. Sie machte sich große Sorgen um ihn.
»Bitte, Edward«, sagte sie. Er nickte teilnahmslos.
»Wenn du es willst.«
»Schön«, meinte Belinda, »es wird sicher ein herrlicher Abend Ich freue mich, wieder einmal mit Menschen zusammenzusein!«
Es klang aufrichtig. Edward betrachtete sie mit einem neuen Verständnis.
»Dieses glorreiche Trafalgar hat manchen von uns fast noch mehr gekostet als das Leben«, sagte er. Joanna und Elizabeth warfen einander einen Blick zu, in dem sie schuldbewußt eingestanden, daß sie selbst viel zuviel nur an ihr eigenes Schicksal, fern des Weltgeschehens, dachten. Andrew, der bemerkte, wie eine niedergedrückte Stimmung sich ausbreiten wollte, wechselte geschickt das Thema und erzählte irgendeine lustige Geschichte, über die alle lachten. Elizabeth sah, daß Joanna und Belinda mit der gleichen Bewunderung und Faszination Andrew beobachteten, während er sprach. Sie waren sich dessen wohl nicht bewußt, aber er wirkte anziehend auf sie.
Er besaß eine wunderbare Ruhe und Selbstsicherheit und ebensoviel Charme wie Feinfühligkeit. In seiner Gegenwart konnten Menschen gelöst und ruhevoll werden, ohne dabei in Schläfrigkeit zu fallen.
Ich bin völlig verrückt, dachte Elizabeth, ich bin völlig verrückt, ihn nicht zu lieben.
Sie wußte nicht, weshalb es gerade jetzt geschah, aber sie gestand sich in diesem Moment zum ersten Mal bewußt ein, daß sie Andrew nicht liebte. Er hatte recht mit seiner untergründig schwelenden Furcht. Aber, auch das sagte sie sich jetzt, wenn sie es nur irgend vermochte, dann sollte er niemals Gewißheit darüber erlangen.
Als sich am Abend die Gäste verabschiedeten, herrschte überall gute Laune. Selbst Edward wirkte munterer als sonst und starrte nicht wie üblich nur geistesabwesend vor sich hin. Joanna, die sich, seit sie Elizabeth wiedergetroffen hatte, in einem überwachen Zustand befand und alles mit Schärfe und Klarheit beobachtete, dachte: Jetzt, gerade in dieser Zeit, könnte es uns allen gelingen, eine gute Zukunft aufzubauen. Edward und ich, Elizabeth und selbst Belinda, wir sind empfindsamer und vorsichtiger und anspruchsloser geworden. Wir haben die Gelegenheit, all den Unfrieden und die vielen übersteigerten Gefühle unserer Vergangenheit für immer zu verbannen. Wir könnten hier in London leben und uns in dieser schönen neuen Zeit nach Englands großem Sieg vergnügen, wir alle haben Geld und sind
gesund und noch jung. Wie damals, bevor John kam. Sie küßte Elizabeth zum Abschied und merkte, wie kalt die Wangen der Freundin trotz des warmen Zimmers waren. Es bezauberte sie, wieder in ihrer Nähe zu sein. Auch mit Edward konnte jetzt alles besser werden. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie Belinda gegenüber ein dankbares Gefühl, weil die sie überredet hatte, Foamcrest Manor zu verlassen und nach London zu gehen.
Als alle Gäste fort waren, sagte Andrew:
»Ich freue mich sehr auf das Theater, auch weil Lord und Lady Gallimore mitkommen. Ich mag die beiden.«
»Ja, nicht wahr? Und Belinda wird auch immer erträglicher — seit ihr Arthur gefallen ist. Früher war sie unausstehlich.«
»Weißt du, ich würde auch gern einmal nach Norfolk reisen und Heron Hall sehen.«
»Das werden wir alles noch tun. Wir haben ja so viel Zeit, Andrew. Wenn es Frühling wird, dann reisen wir nach King’s Lynn. Ich zeige dir den Hafen, in dem ich damals aus Amerika ankam, und unser Schloß, den Park, in dem Joanna und ich spielten, und den Strand von Hunstanton. Es ist der schönste Platz auf der Welt.«
»Gut«, sagte Andrew sanft, »ich glaube, Elizabeth, daß wir eine sehr gute Zeit vor uns haben. Wir werden wieder fortgehen
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