Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
schrecklichen Unglück damals...«
Belinda machte eine Pause, die Andrew, der unbeweglich zugehört hatte, nutzte.
»Ich muß mich leider gleich verabschieden«, sagte er, »man hat mich zu meinem Regiment beordert. Leben Sie wohl, Lady Gallimore und Lady Darking!« Er legte grüßend die Hand an seinen Hut und ging davon, während Belinda noch hinter ihm herrief: »Wilkins, Euer Gnaden, Lady Wilkins! Ich habe erneut geheiratet und...«
»Das interessiert den Earl doch jetzt gar nicht«, unterbrach Joanna. Sie zog Belindahinter sich her in den Saal. In der Nähe der Tür stand die Herzogin von Richmond. Von ihr hatte sich Anne Courtenay soeben verabschiedet. Sie lächelte Joanna scheu an.
»Auf Wiedersehen, Lady Gallimore«, sagte sie mit leiser Stimme. Joanna tat der Anblick der blassen jungen Frau weh. Sie mußte große Angst haben, aber sie bemühte sich tapfer, sie zu verbergen. Während Belinda noch drängend herauszufinden versuchte, wer die Fremde war, und Joanna ihr entnervt Auskunft gab, erspähten sie endlich Edward. Er kam auf sie zu, bleich wie der Tod, zweifellos angetrunken, aber nicht lustig wie vorhin Peter, sondern vollkommen starr und in sich gekehrt. Er hätte Joanna völlig übersehen, wenn sie ihm nicht in den Weg getreten wäre.
»Ach Joanna«, sagte er zerstreut, »laß mich vorbei. Ich muß weg.«
»Wohin willst du?«
»Fort. Joanna, stell jetzt keine Fragen!« Er wollte sie beiseite schieben, doch sie hielt ihn am Arm fest.
»Ich lass’ dich nicht gehen«, zischte sie leise, »du hast keinen Grund...«
»Die Truppen ziehen Napoleon entgegen!«
»Du gehörst nicht zu ihnen.«
»Ich gehöre zu ihnen. Aber das wirst du nie verstehen. Wenn sie alle sterben, dann sterbe ich mit!«
»Warum?« Joannas Frage kam so laut und heftig, daß einige Umstehende sie überrascht ansahen. Leiser wiederholte sie: »Warum, zum Teufel?«
Mit ausdruckslosen Augen sah er an ihr vorbei.
»Ich habe es dir gesagt. Wenn sie alle sterben, dann ist es für mich das beste, auch zu sterben.«
»Deshalb bist du nach Brüssel gegangen! Das war von Anfang an dein Plan, nicht wahr? Selbstmord — und doch bist du zu feige dazu. Andere sollen tun, was du nicht fertigbringst!«
»Du begreifst spät, Joanna. Erinnerst du dich an das Gespräch in Foamcrest Manor vor unserer Abreise? Du hast behauptet, ich verfolgte eine ausgeklügelte Rache an dir — ach Joanna, wenn du wüßtest, wie gleichgültig du mir bist! Du und das ganze Leben!«
»Wie niederträchtig du bist«, flüsterte sie. »Und wenn du es dir selber auch nicht eingestehst, ich weiß genau, daß du nichts anderes willst, als mich und alle Menschen um dich herum in ausweglose Schuld zu stürzen!«
»Fühlst du dich denn so schuldig an mir, daß mir das gelingen könnte?«
»Ja! Aber du trägst ebensoviel Schuld, denn du bist gnadenlos, und du gibst mir keine Gelegenheit, irgend etwas wiedergutzumachen! «
Edward schüttelte sie ab und ging zur Tür. Einen Augenblick lang stand Joanna fassungslos vor seiner Kälte und Unbarmherzigkeit, dann raffte sie entschlossen ihr langes Kleid und eilte hinter ihm her.
»Meinen Mantel!« rief sie im Gang einem Diener zu, »und beeile dich!«
Belinda folgte ihr noch immer wie ein Schatten.
»Was ist denn los?« fragte sie verzweifelt. »Wohin will Edward? Wohin willst du?«
»Edward ist wahnsinnig«, gab Joanna kurz zurück und schlug
ihren Mantel um die Schultern. Es war ihr plötzlich ganz gleichgültig, was Belinda erfuhr und was nicht. Ohnehin klapperte diese sonst so dreiste Frau mit den Zähnen und begriff wohl höchstens die Hälfte von dem, was sie jetzt hörte. »Und ich bin genauso wahnsinnig«, fuhr Joanna fort, »wahnsinnig genug jedenfalls, um mit ihm zu gehen!«
Sie jagte die Treppe hinunter, verlor dabei ihren Fächer, drehte sich aber nicht einmal um. Ihre Schritte hallten in dem hohen, leeren Gewölbe. Belinda kam hinter ihr her.
»Wohin gehst du mit ihm?« schrie sie. Joanna blieb stehen.
»Das weiß ich nicht«, fuhr sie Belinda an, »das bestimmt Edward. Aber vermutlich führt ihn sein Weg gerade vor eine französische Kanone!«
»Laß mich mitkommen! Bitte!«
»Jetzt nimm endlich Vernunft an, Belinda! Geh nach Hause. Deine Kinder warten auf dich.«
»Die sind bei der Kinderfrau gut aufgehoben. Nehmt mich doch mit! Ich sterbe vor Angst um meinen Mann! Ich will zu ihm!«
»Du kannst ihm jetzt nicht helfen!«
»Ich will in seiner Nähe sein!« Belindas Stimme wurde schrill.
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