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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Leidenschaft ergriffen und in atemberaubende Höhen emporgeschleudert, in denen alle ihre Vorbehalte, ihre Vernunft, jede Wirklichkeit in Stücke zersprangen. Sie blieb, wo sie war, auf feuchter, zertrümmerter Erde, und müde dachte sie nur:
    Er glaubt es wirklich! Er glaubt es. John, du Narr, du meinst wahrhaftig noch, hinter unserer Liebe könnten wir uns verbergen
und alle Schrecken überstehen! Du einfältiger Träumer. Du wolltest mir beweisen, ich könnte die Wirklichkeit nicht sehen und annehmen — und dabei bin ich es, die begriffen hat, daß nicht einmal die Liebe uns schützen kann, daß jeder, der es darauf anlegt, sie uns nehmen kann. Und du hast unsere Liebe immer mehr zu deinem einzigen Halt erkoren! Ja, jetzt klammere dich nur an mir fest und glaube, du gäbest mir Schutz damit!
    Beinahe hätte sie gelächelt, aber sie bezwang diesen Wunsch. Wenn sie nur konnte, dann wollte sie verhindern, daß er jemals erkannte, wie wenig Illusionen sie noch besaß.
    Sie blieben stehen und blickten sich an, bis über ihnen die Tür geöffnet wurde und ein französischer Major hinaustrat.
    »Madame, kommen Sie doch bitte!« rief er. »Die andere Dame weint und verlangt nach Ihnen!«
    »Hortense«, sagte Elizabeth, »die arme Hortense! Ich gehe zu ihr.« Sie eilte die Treppe hinauf, der Major trat zur Seite, und sie verschwand im Haus. John sah ihr nach.
    »Eine tapfere Frau«, bemerkte der Major, »ich habe gesehen, wie sie sich um die Verletzten kümmerte. Manche andere würde zusammenbrechen bei dieser Arbeit!«
    »Elizabeth ist außergewöhnlich«, erwiderte John, »und beinahe jeder Mensch, den sie in ihrem Leben traf, hat sie von Anfang an geliebt. Nur ich nicht.«
    »Nicht sehr klug von Ihnen, Monsieur!«
    »In der Tat nicht sehr klug von mir. Aber Sie müssen wissen, daß ich ein sehr schwacher Charakter bin. Entweder berauscht von hohen Idealen, die so großartig sind, daß ich darüber alles andere vergesse, oder so zynisch, daß ich, alle Welt verachtend, kalt lächelnd zugrunde gehen könnte. Gott möge wissen«, er sah unwillkürlich zum Himmel hinauf, »Gott möge wissen, was diese Frau je in mir gesehen hat!«
    Der Major fragte sich das auch, aber er mochte es natürlich nicht sagen. Er kannte diese überraschenden Lebensbeichten und brutalen Selbstbespiegelungen bei Männern, die sich entweder betrunken hatten oder an der alleräußersten Grenze ihrer Erschöpfung angelangt waren. Letzteres schien hier der Fall zu
sein; nach seiner Erfahrung halfen dagegen entweder ein tiefer Schlaf, was in dieser Nacht unmöglich war, oder neue Arbeit. So sagte er:
    »Sie sollten etwas tun. Ich glaube, im Moment gibt es für jeden von uns genug Aufgaben.«
    »Da haben Sie recht«, sagte John, »ich werde meine Großtante suchen. Sie liegt irgendwo tot im Park.«
    »Das tut mir leid.«
    »Ich möchte sie begraben.« Er verschwand in der Dunkelheit. Er kannte Hortense und fürchtete, daß sie am nächsten Morgen losstürzen und die Tote suchen würde, was zu einem erneuten Zusammenbruch führen mußte. Außerdem hatte er Tante Marie zu Lebzeiten genug zugesetzt, und es war nur richtig, wenn er nach ihrem Tod dafür sorgte, daß sie wenigstens ein anständiges Grab auf dem idyllischen Familienfriedhof fand — falls von dem noch etwas übrig war.
     
     
    Am nächsten Morgen um neun Uhr zogen die letzten preußischen Regimenter ab — geschlagen, zerstört, im Bewußtsein ihrer Niederlage voller Selbstzweifel und hoffnungslos. Sie wären sicher gern dem Befehl Gneisenaus gefolgt, sich bis nach Lüttich zurückzuziehen und dort neue Kräfte zu sammeln, aber Blücher, der sich langsam von seinem schweren Sturz erholte, entschied, sich mit General Wellington zusammenzutun, um mit ihm gemeinsam den nächsten Kampf gegen die Franzosen zu wagen. Sein ungebrochener Mut gab auch den Soldaten ein wenig Selbstvertrauen zurück. Blücher gab den Befehl, sich nur bis Wavre, nicht weit von Sombreffe, zurückzuziehen und weitere Schritte der Engländer abzuwarten.
    Diese hatten bei Quatre Bras eine schwere Schlacht gekämpft, die mit gleichen Verlusten auf beiden Seiten ausging. Wellington beschloß, sich auf dieselbe Höhe wie die Preußen zu begeben, und zog seine Armee zurück in die Nähe des kleinen Dorfes Waterloo.
    Es herrschte eine glühende, hochsommerliche Hitze an diesem Morgen, aber wie am Tag davor zogen schon wieder Wolken
auf, und jeder ahnte, daß es am Mittag regnen würde. Napoleon, gesundheitlich angegriffen und

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