Verbrannte Träume.
Haustür.
»Was ist eigentlich los?«
fragte ich.
»Warum gehst du nicht ans Telefon? Warum hast du diesem Kerl nicht aufgemacht? Hast du Ärger?«
»Nicht der Rede wert«, erklärte er lächelnd. Es war das typische Mach-dir-keine-Sorgen-Mäuschen-der-liebe-Ulli-hat-alles-im-Griff-Lächeln.
»Und ich will heute abend nicht mehr damit belästigt werden. Wer etwas von mir will, kann seine Nachricht auf Band sprechen. Wir beide feiern ein bißchen. Und morgen schlafen wir aus, anschließend fahren wir nach Köln und machen einen Stadtbummel. Hast du einen besonderen Wunsch? Etwas Schickes zum Anziehen, ein neuer Satz Fingernägel?«
»Vielleicht ist es ein komischer Anruf.«
Ulli griff nach meinem Arm und zog mich zum Tisch.
»Dann lachen wir morgen darüber. Jetzt werden wir gemütlich essen, mein Schatz, zusammen duschen und ins Bett gehen. Nach einer Woche Enthaltsamkeit haben wir uns das verdient. Oder meinst du nicht? Gib mir einen Kuß.«
Ich wurde das Gefühl nicht los, daß der zerfranste Typ am Telefon war. Daß Ulli versuchte, mich abzulenken. Er hielt meinen Arm fest, während er mich küßte. Dann ließ er mich plötzlich los und schnupperte.
»Dein Fleisch brennt an, meine Süße«, sagte er. Ich ging zurück zum Herd, gab endlich die Zwiebel in den Topf und goß etwas Wasser zu. Während ich umrührte, verließ Ulli die Küche, schloß sogar die Tür hinter sich. Er ging ins Wohnzimmer und hörte das Band ab. Dabei stellte er die Lautstärke so leise, daß ich in der Küche nichts verstehen konnte. Es dauerte ein paar Minuten, ehe er zurückkam. Er setzte sich noch einmal auf die Tischkante, wollte wissen, ob ich Frau Ruland gesehen hätte, als ich ins Haus kam. Frau Ruland war unsere Nachbarin aus der kleinen Wohnung im Erdgeschoß. Weil bei uns tagsüber niemand daheim war, nahm sie die Post für uns entgegen. Briefe nicht, nur Päckchen und Pakete, und die waren meistens für mich. Ulli wartete auf meine Antwort. Als ich den Kopf schüttelte, preßte er für einen Moment die Lippen aufeinander. Er schien wirklich nervös.
»Es hätte heute ein Paket ankommen müssen«, sagte er.
»Kugelschreiber, etliche tausend Stück.«
So ein Paket kam regelmäßig alle vierzehn Tage, aber es kam immer in der Woche, in der Ulli daheim war. Er tat so, als wäre es bei dem Anruf nur darum gegangen. Das glaubte ich ihm nicht. Er hatte noch nie ein Paket außer der Reihe bekommen.
»Ich mußte nachbestellen«, sagte er,
»ein neuer Kunde, eine eilige Sache. Das habe ich dem Lieferanten auch klargemacht. Er hat mir die Sendung fest zugesagt. Jetzt rief er an, um sich zu erkundigen, ob sie gut angekommen sei.«
Das konnte ich mir erst recht nicht vorstellen. Es war Freitag, kurz vor halb acht. Um die Zeit sitzen die Lieferanten gemütlich daheim. Da erkundigt sich keiner mehr, ob eine Sendung gut angekommen ist. War sie auch nicht, weder gut noch überhaupt. Wenn Frau Ruland Pakete und Päckchen für uns entgegennahm, brachte sie die sofort nach oben und stellte sie vor die Wohnungstür. Da hätte Ulli darüber stolpern müssen, als er heimkam.
»Dein Paket kommt wahrscheinlich morgen«, sagte ich. Zuerst zuckte er mit den Schultern, preßte wieder die Lippen aufeinander.
»Oder gar nicht«, murmelte er,
»wenn die versuchen mich zu linken.«
Er schaute auf, mir direkt ins Gesicht, anscheinend im Zweifel, ob er weitersprechen sollte. Das tat er nach ein paar Sekunden.
»Oder es ist heute gekommen, und jemand hat es mitgehen lassen. Der Lieferant behauptete, es sei am Mittwoch abgeschickt worden. Da hätte es heute ankommen müssen. Ich gehe mal runter und frage die Ruland. Vielleicht hat sie es sicherheitshalber mit in ihre Wohnung genommen.«
»Das tut sie nie«, sagte ich.
»Jetzt mach dich doch nicht lächerlich! Wer, meinst du denn, läßt ein paar tausend Kulis mitgehen? Es kann doch keiner ins Haus. Die Tür unten ist immer zu.«
Ulli grinste freudlos.
»Türen kann man öffnen«, erklärte er ruhig,
»man braucht nur das entsprechende Werkzeug. Ein Profi öffnet dir die Haustür da unten in zwei Sekunden, mein liebes Kind, und zwar ohne Schlüssel. Der Typ, den du gesehen hast, könnte im Laufe des Tages schon einmal hier gewesen sein.«
Ulli ging tatsächlich nach unten und fragte Frau Ruland nach dem Paket. Natürlich kam er mit leeren Händen zurück und benahm sich, als wäre damit der Weltuntergang besiegelt. Eine Sendung Kulis geht verloren, der Himmel möge uns gnädig sein,
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