Verbrannte Träume.
keiner war …«
Er sprach den Satz nicht zu Ende, schaute mich an, als wollte er sich mit seinem Blick in mein Gehirn bohren und dort ablesen, was ich ihm verschwieg. In dem Moment war er mir ein bißchen unheimlich. Aber das verging, als er mit den Achseln zuckte und meinte:
»Na, hoffen wir, daß die Polizei den Jemand bald findet. Sie sind ja normalerweise tüchtig, die Jungs. Und wenn Ihr Mann ein bißchen mithilft … Meist wissen die Betroffenen selbst ja am besten, wer ihnen nicht wohlgesonnen ist.«
Dann hob er die Hand mit dem Schlüsselbund, es sah aus wie ein Gruß, und ging zurück zu seinem Kadett. Und ich ging endlich ins Haus. Mir zitterten die Hände so sehr, daß sich sogar meine Arme verkrampften, als ich die Treppen hinaufstieg. Ich dachte zuerst, daß ich nur fror, aber schwindlig war mir auch, und mein Magen fühlte sich an wie leergepumpt. Dabei hatte ich am frühen Nachmittag die Pizza gegessen. Es mußte die Aufregung sein. Oder die faustdicke Lüge, und wie Lutz Assenmacher darauf reagiert hatte. Wenn mir jemand so einen Bären aufgebunden hätte, ich hätte gegrinst und gefragt:
»Ach, den Film haben Sie auch gesehen?«
Im Geist hörte ich meinen Vater sagen:
»Wenn da mal keiner nachgeholfen hat.«
Ulli war ein so guter Fahrer gewesen. Er fuhr gerne ein bißchen gewagt, aber nie leichtsinnig. Du gehst schon auf die Bremse, wenn dir dein Leben lieb ist. Ob da nun ein LKW vor einem ausscherte oder ein Wolkenbruch herunterkam. Herr im Himmel, steh mir bei, dachte ich, ich werde verrückt. Wie konnte ich diesem Assenmacher so ein Märchen erzählen? Ich kannte ihn nicht. Ich wußte nicht, wohin er jetzt fuhr, mit wem er sich traf, ob er den Bären weitertrug. Und wenn er es tat, wenn er dabei an die falschen Leute geriet – oder an die richtigen – wenn sie kamen und von mir wissen wollten, wo Ulli war … Tatsache war, Ulli hatte sein Auto versteckt, die Tür nicht geöffnet und das Telefon nicht abgenommen. Nach komischen Anrufen und Leuten gefragt, die das Haus beobachteten. Ich hatte das mal in einem Film gesehen, wie brutal solche Leute sein können, wenn sie etwas wissen wollen. Sie schrecken vor nichts zurück. Es kümmert sie auch nicht, ob sie eine Frau vor sich haben. Sie brechen einem die Finger, drücken einem Zigaretten auf der Haut aus oder zerschneiden einem das Gesicht. Das Zittern wurde immer schlimmer, mir schlugen die Zähne aufeinander. Am liebsten hätte ich das Geld aus dem Eisschrank genommen, mir ein Taxi gerufen und mich zu meinen Eltern bringen lassen. Ich hatte wahnsinnige Angst. Es half mir auch nicht, daß ich mir mehrfach vorsagte:
»Wenn die Polizei sagt, es war ein Unfall, dann war es einer. Die sind nicht blöd. Denen wäre aufgefallen, wenn da einer nachgeholfen hätte. Es spielt keine Rolle, was du den Leuten erzählst.«
Ich konnte es mir noch so oft vorsagen, glauben konnte ich es nicht. Das Schwanken hatte aufgehört, jetzt hing ich auf einer Seite fest. Man hört doch immer, daß es den perfekten Mord sehr wohl gibt, auch wenn alle Welt es bestreitet. So manchem eiligen Notarzt sind schon ein paar Messerstiche entgangen. Um wieviel einfacher mußte es da sein, einen Unfall vorzutäuschen, dann ein Feuer, bei dem Gummi verbrannte und Plastik schmolz. Bremsschläuche sind nicht aus Eisen. Ich überlegte, wie ich die Sache wieder hinbiegen könnte. Eine halbseitige Todesanzeige aufgeben, gleich am Montag, und dafür sorgen, daß sie in allen Zeitungen erschien. Über dem Namen Ulrich Meuser groß der Hinweis, durch einen tragischen Verkehrsunfall. Ich wollte nichts mit einer Sache zu tun haben, von der ich nicht wußte, wie sie aussah und welche Folgen sie für mich haben konnte. Ich kam mir schäbig vor bei meinen Gedanken, feige und gemein Ulli gegenüber. Bei seiner Tante hatte ich noch große Töne gespuckt. Ich mußte wenigstens dafür sorgen, daß das Auto gründlich untersucht wurde, Ulli auch. Das war ich ihm schuldig. Also mußte ich zur Polizei gehen. Ich mußte ihnen sagen, was am Freitag abend passiert war, was Ulli gesagt hatte, bevor er die Wohnung verließ, auch das Telefongespräch mit Rene Link erwähnen. Aber allein der Gedanke, daß zu tun … Also, meine Herren, das war so: Wir hatten einen fürchterlichen Streit, weil bei mir plötzlich der Verdacht aufstieg, daß mein Mann krumme Geschäfte machte. In meiner Manteltasche war Traubenzucker, ich holte mir ein Stück. Während ich es lutschte, beruhigte ich mich wieder.
Weitere Kostenlose Bücher