Verbrannte Träume.
Mark nachzudenken und darüber, wie man eine teure Wohnung halten kann. Ich machte mir ein belegtes Brot und setzte mich damit an Ullis Schreibtisch, nachdem ich den Karton mit den Kulis auf den Boden gestellt und den leeren Umschlag in den Papierkorb gesteckt hatte. Ulli bewahrte alle wichtigen Unterlagen im Schreibtisch auf, das wußte ich, auch die Kontoauszüge mußten drin sein. An beiden Seiten des Schreibtischs waren zwei große Schubfächer unter der Platte angebracht, die oberen davon mit einem Schloß versehen. Sie waren beide abgeschlossen, die Schlüssel steckten nicht, die hatte Ulli an seinem Schlüsselbund gehabt. In dem Moment fiel mir zwar ein, daß sie mir auf der Polizeiwache keine Schlüssel gegeben hatten. Aber ich hatte die Stimme des Polizisten noch im Kopf, der sagte, sie wären im Auto. Ich dachte, der KFZ-Sachverständige würde sie finden und mir aushändigen. Ich konnte nur die unteren Schubfächer öffnen. Im rechten lagen ein paar Schnellhefter, ordentlich beschriftet. Bestellungen von – bis. Rechnungen von – bis. Ich blätterte darin, fand jedoch nichts von Bedeutung. Die Unterlagen stammten alle aus früheren Jahren. Aus den letzten Wochen oder Monaten fand ich nichts. Vermutlich lagen die aktuellen Papiere in den oberen Schubfächern. Ich würde sie aufbrechen müssen, selbst wenn ich die Schlüssel bekam, die hatten sich bestimmt verformt in der Hitze. Aber an dem Montag abend war ich zu müde für größere Aktionen. Im linken unteren Schubfach fand ich private Papiere. Den Kaufvertrag für den Renault . Nur fünf Monate hatte Ulli den Wagen gefahren. Er hatte lange gezögert, ihn sich zu kaufen, hatte ursprünglich auf das Nachfolgemodell warten wollen, den Renault Safrane. Der Wagen sollte in diesem Jahr auf den Markt kommen und ab siebenunddreißigtausend Mark zu haben sein, mit ein paar Extras war er etwas teurer. Ulli und seine Autos. Gehobene Mittelklasse. Und jedes Jahr ein neues.
»Der Wagen ist mein Geschäft, Mäuschen. Er muß unauffällig, aber repräsentativ sein, darf jedoch nicht protzig wirken, das verärgert die Kundschaft.«
Und schnell mußte er sein. Zweihundertzwanzig Spitze, nach Möglichkeit ein bißchen mehr. Ein Geschoß auf Rädern, den Ausdruck hatte Doktor Farngräber vor zwei Jahren benutzt, als Ulli wegen seiner Raserei der Führerscheinentzug drohte.
»Das ist der blanke Wahnsinn«, hatte Doktor Farngräber gesagt,
»überall Geschwindigkeitsbegrenzungen, nicht einmal auf der Autobahn darf man noch schneller als hundertdreißig, wenn man nicht im Fall eines Falles selbst zahlen will. Aber ist es nicht verständlich, daß ein junger Mann, wenn er solch ein Geschoß auf Rädern unter sich hat und die Bahn vor ihm völlig frei ist, aufs Gas tritt. Warum werden solche Kisten überhaupt noch gebaut, wenn man sie nirgendwo ausfahren darf?«
Es war damals das erste Mal, daß ich jemanden reden hörte, Ullis Tante ausgenommen, der Ulli nicht verdammte, der Verständnis für ihn hatte. Auch dann noch, als Ulli begriff, daß er in der Verhandlung keine Chance hatte, daß er seinen Führerschein verlieren würde. Als er sich plötzlich daran erinnerte, daß er an dem betreffenden Tag nicht selbst gefahren war. Doktor Farngräber glaubte ihm das nicht. Aber er verurteilte ihn auch nicht für die Flunkerei, er warnte ihn nur. Es sei sinnlos, einen Bekannten oder einen Freund aus dem Hut zu zaubern und dem die Schuld in die Schuhe zu schieben. Weil die Radarfotos erstaunlich gute Bilder von den Fahrern lieferten. Doch Ullis Freund hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Ulli, es gab keine Probleme. Man mußte ihm auch nichts in die Schuhe schieben. Er gab bereitwillig zu, daß er gefahren war. Plötzlich fiel mir ein, woher ich den Namen Rene Link kannte. Gehört hatte ich ihn nie, nur gelesen und geschrieben. Ich hatte vor zwei Jahren die Schriftsätze getippt. Rene Link hatte seinen Führerschein für Ulli abgegeben. Er mußte ein sehr guter Freund sein. Warum rief er nicht noch einmal an, verdammt noch mal? Seit ich die Wohnung betreten hatte, war gut eine halbe Stunde vergangen, mehr auf keinen Fall. Ich begann zu zweifeln, daß er es gewesen war, der bei meinem Eintreten das Telefon hatte klingeln lassen, und verstand das nicht. Ich meine, wenn ich höre, daß mein Freund einen Unfall hatte, wenn ich zudem weiß, daß dieser Freund in großen Schwierigkeiten war, dann verlasse ich mich nicht auf Auskünfte aus zweiter Hand. Dann will ich mich persönlich
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